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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ist nicht wie die Kämpfe, die ihr kennt. Wir werden gegen Zauberer antreten und vielleicht s o gar gegen Männer, die von Teufeln besessen sind. Nicht die Kraft unserer Schwerter wird dieses Gefecht entscheiden, so n dern unser fester Glaube an Gott, denn keine höllische Macht ist stark genug und kein Zauber so niederträchtig, daß wahrer Glaube nicht zu triumphieren vermag. Die Frevler haben ihr Versteck irgendwo hier in den Sümpfen, keine zwanzig Meilen von der Via Turonensis, der großen Pilgerstraße, entfernt, die zum Grab des heiligen Jacobus von Compostella führt. So wo l len wir unseren Feldzug unter den Schutz dieses Weggefährten Christi, des Apostels Jacobus, stellen und ihm zu Ehren ein g e meinsames Gebet anstimmen, das unseren Glauben stärken wird.«
    Der Bischof kniete nieder und berührte mit seiner Stirn die Parierstange seines Schwertes, als sei sie der Querbalken eines Kreuzes. Dann begann er mit lauter Stimme ein altes Jakobspi l gerlied zu singen.
    »Herrn Sanctiagu, got Sanctiagu
    e ultreya e sus eia
    Deus aia nos …

    Herr Santiago, guter Santiago –
    vorwärts , wohlan und aufwärts,
    helfe uns Gott … «
    Die anderen Ritter folgten seinem Beispiel, und bald hatten sich alle Krieger und Knechte des Heerlagers auf die Knie niederg e lassen und sangen voller Inbrunst das Pilgerlied. Zum ersten Mal seit Tagen glaubte auch Golo wieder, daß der Bischof das Nachtvolk besiegen würde. Während das Lied, gesungen von mehr als fünfhundert rauhen Männerkehlen , zum Himmel stieg, vermeinte der frühere Knecht zu spüren, wie ihm seine Seele leichter wurde. Nie zuvor in seinem Leben hatte er sich Gott so nahe gefühlt.
    Er hatte Bischof Jehan lange für einen machtbesessenen Mann gehalten, doch nun erkannte er das wahre Wesen des Adeligen. Jehan war von Gott auserwählt und hatte die Last einer gewa l tigen Aufgabe zu tragen. Es war dem Bischof bestimmt, Aqu i tanien von den Heiden zu befreien, und vielleicht würde der Kirchenfürst danach die Ritter der Christenheit vereinen. Golo seufzte voller Verzückung. Auch sein eigenes Schicksal war fest mit dem Weg des Bischofs verwoben. Er, ein Unfreier, war zum Ritter aufgestiegen und durfte als einziger Burgunde an diesem großen Werk Anteil haben.
    Golos Blick schweifte zu dem Scheiterhaufen, der inmitten der Lichtung vor dem gefällten Trophäenbaum brannte. Dort schwelten die Pfähle, auf denen die Köpfe all der Opfer des Nachtvolkes gesteckt hatten. Die Schädel waren in einem G e meinschaftsgrab beigesetzt worden, und der Bischof hatte ein i ge Handwerker, die dem Troß angehörten, damit beauftragt, dort ein großes Steinkreuz zu errichten.
    Inzwischen war das Pilgerlied verklungen. Jehan de Thenac hatte sich erhoben und nahm einem der Männer, die in seiner Nähe standen, einen Wurfspieß ab. Dann hob er die Waffe hoch über den Kopf. »Hundert Jahre und länger haben die Heiden diese schöne Lichtung für ihre gottlosen Rituale genutzt. Diese Zeit ist nun für immer vorbei!« Er rammte den Speer mit aller Kraft vor sich in den Boden. »Dies soll der letzte Spieß sein, auf den hier ein Haupt gesteckt wird. Er ist dem Kopf der Zauberin vorbehalten, welche die Heiden Morrigan nennen. Und noch bevor der Sommer vorüber ist, werde ich diesen Eichenschaft mit ihrem Haupte krönen. Nun reicht mir das Horn, das wir in dem Schrein gefunden haben.«
    Jehan winkte einem seiner Waffenknechte, und der Mann brachte das mit goldenen Bändern geschmückte Signalhorn. Ohne zu zögern, setzte er das Instrument an die Lippen. Golo hatte ihn vor der unseligen Wirkung dieses Horns gewarnt, und so waren alle Pferde aus dem Troß von der Lichtung for t geführt worden.
    Obwohl der ehemalige Knecht den gräßlichen Mißton schon kannte, ließ ihn auch diesmal der Ruf des Signalhorns erscha u ern. Gespannt wartete er, ob auch diesmal ein Unwetter vom Meer aufziehen würde. Doch der Himmel blieb klar. Nur weit im Moor konnte man eine blasse Nebelwand erkennen. Wohl jeder auf der Lichtung blickte gespannt nach Westen, und ma n che der Ritter hatten ein Gebet auf den Lippen. Wie lange wü r de es wohl dauern, bis die Heerscharen der Morrigan in ihren Booten das Ufer erreichten? Mit dem Hornstoß war die dunkle Göttin herausgefordert. Von nun an würde es kein Zurück mehr geben.
    Vielleicht war der Bischof zu leichtfertig gewesen. Nur ein Drittel seines Heeres war bereits versammelt. Die anderen Männer würden auf den flachen Schiffen der Nordmänner durch die

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