Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
mich, hierher zu kommen. Sie halten mich für eine G e stalt aus alten Legenden. Doch das tut nichts zur Sache. Was ich will, ist, Euch zu retten und zu meinem Herren und König, E u rem Onkel, Gunther von Burgund, zurückzubringen!«
Gunbrids Gesicht verfinsterte sich. »Und warum wollt Ihr das tun? Ist es Ritterlichkeit? Oder steht hinter Eurem vermeintl i chen Edelmut nicht allein die Absicht, in der Gunst meines O n kels zu steigen und den Geschichten um Euren Heldenmut eine weitere hinzuzufügen? Ich sage Euch noch einmal in aller Deu t lichkeit, Herr Volker, ich wünsche nicht, diesen Ort zu verla s sen. Der Hof von Worms wird mir nur Trauer und Schande einbringen. Egal wie freundlich man mich auch aufnimmt, hi n ter vorgehaltener Hand wird man mich stets die Frau nennen, die von den Feen geholt worden ist. Man wird mich meiden und mir Hexerei unterstellen, wenn ich mich weiterhin mit der Kräuterkunde beschäftige. Wißt Ihr nicht, wie die Menschen sind, Herr Volker? Was ich tun kann, ist, in meiner Kemenate zu sitzen und zu sticken oder kostbare Tücher zu weben. Eines Tages dann wird mein Onkel kommen und mir verkünden, er habe einen neuen Mann für mich gefunden. Einen zweiten Ro l lo vielleicht, einen Mann, der mich nicht liebt, sondern nur de s halb heiratet, weil er auf dieses Weise mit dem Königshof von Worms verbunden sein wird. Begreift Ihr nun, warum ich nicht mehr nach Worms zurückkehren kann? Ich werde niemandem verraten, daß Ihr beabsichtigt, die Hohepriesterin zu täuschen, um von hier zu fliehen, doch bitte ich Euch, macht mich nicht zum Opfer falsch verstandener Ritterlichkeit. Wenn Ihr mich von hier fortbringt, dann werdet Ihr mein Leben zerstören, und ich verspreche Euch, noch bevor wir den Hof von Worms e r reichten, würde ich einen Weg finden, meinem Leben ein Ende zu bereiten, denn die Schande und die Heuchelei, die mich dort erwarten würden, vermag ich nicht zu ertragen.«
Volker starrte die Edeldame fassungslos an. Mit der einen o der anderen ihrer Befürchtungen würde sie womöglich recht behalten, doch als Nichte des Königs war es ihre Pflicht, nach Worms zurückzukehren. Aber jetzt wäre der falsche Zeitpunkt, ihr dies zu erläutern. Vielleicht hatten die Priesterinnen einen Zauber um sie gewoben, der Gunbrid Angst vor der Welt je n seits des Nebels machte. Es war gewiß das klügste, zunächst auf ihre Wünsche einzugehen.
So verbeugte sich Volker. »Eure Worte sind mir ein Befehl, Herrin. Niemals würde ich gegen Euren Willen handeln oder etwas tun, aus dem Euch Schaden erwachsen könnte.«
14. KAPITEL
rachend fuhr die Axt tief ins helle Holz des ries i gen Baums. Zwei Knechte hatten die Eiche so vorbereitet, daß nur noch w e nige Axthiebe nötig waren, um den Baum stürzen zu lassen. Ra u schend fing sich der Wind im Wipfel der Eiche. Der Baum begann sich zu neigen. Mit einem raschen Schritt zur Seite brachte sich der Bischof in Sicherheit.
Dann stürzte der Baumriese und tauchte in den Schlamm des Sumpfes. Triumphierend riß Jehan die Axt über den Kopf. »So wie hier werde ich den Aberglauben der Heiden überall ausro t ten, wo ich ihn antreffe. Unser Freund, Golo von Zeilichtheim, hat mir erklärt, daß es üblich ist, die Königin des Nachtvolks zu fordern, indem man in das Horn bläst, das in dem Schrein vor der Eiche lag. Nun, was mich angeht, ich brenne darauf, diesen Götzendienern, die den Baron von Marans ermordet haben, den Schädel einzuschlagen! Aber wie steht es mit euch? Habt ihr den Mut, mir zu folgen und den Dienern der Hölle ins Gesicht zu spucken, wenn sie aus den Sümpfen gekrochen kommen?«
Berengar von Broceliande, der Anführer der Ritter aus A r morika, trat vor die Front der Krieger und riß sein Schwert hoch. »Ich folge dir, Jehan. Selbst wenn du den Leibhaftigen persönlich an seinem Bart packen willst, werde ich an deiner Seite stehen und im Glauben an Gott mein Schwert führen, so wie es sich für einen christlichen Ritter geziemt. Wer mit mir ziehen will, der möge vortreten!«
Die Ritter aus Armorika waren die ersten, die der Aufford e rung ihres Anführers folgten. Wie alle anderen beeilte sich auch Golo, nicht hinter der Gefolgschaft Berengars zurückzustehen. Mit blankem Schwert in den Händen stimmte er in das Jubelg e schrei ein, das sich allenthalben im Heerlager erhob.
Der Bischof breitete seine Arme aus. »Ich wußte, daß ich auf euren Mut vertrauen kann, meine Freunde. Doch die Schlacht, die es heute zu schlagen gilt,
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