Nibelungen 07 - Das Zauberband
galoppierenden Pferdes verfehlte. Noch ehe er wußte, wie ihm geschah, sprang Brunhild herum und griff ihn seitlich an. Kunstvoll ließ sie die Waffe durch die Luft tanzen, so daß der Krieger nun seinerseits Mühe hatte, ihren Schlägen auszuweichen. Schnell und gezielt kreuzte sie seine Klinge, ein zweites und ein drittes Mal, dabei flüsterte sie heimlich einen Vers, der sie das Wesen des Pferdes beherrschen ließ. Mit einem lauten Schrei zog sie dann nach einer weiteren Attacke das Schwert in die Höhe, auf daß die Spitze geradewegs in den Himmel ragte. Der Wallach des Kriegers stieg, bezaubert von Brunhilds Worten gleichzeitig auf die Hinterhand, und der Reiter, der sich ganz auf seine Parade konzentriert hatte, verlor das Gleichgewicht. Noch bevor er sich festhalten konnte, stürzte er mit samt seiner Waffe zu Boden. Brunhild nutzte den Augenblick. Als der Krieger sich wieder aufrichten wollte, war sie mit dem Schwert in der Hand schon über ihm. Ihre dunklen Augen funkelten den Fremden zornig an. Ihr Herz raste.
»Für deine Freveltat, mit Gewalt den heiligen Garten der Göttin zu schänden!« rief sie bebend und stieß ihm die Spitze der Klinge in die Kehle.
Dann hielt sie inne. Einen Lidschlag lang schaute sie angewidert und entsetzt auf das Blut, das ihr Schwert rot färbte. Es war der erste Mensch, den sie getötet hatte. Doch der Kampf, der sich auch auf ihre Seite des Seeufers ausgedehnt hatte, ließ ihr keine Zeit, darüber nachzudenken.
Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie in einiger Entfernung bereits einen zweiten Reiter auf sich zugaloppieren. Erneut ging sie in Kampfhaltung. Ihr Herz schlug kräftig, aber sie war bereit, jeden zum Totentor zu schicken, der den Garten der Göttin schändete. Aus den Augenwinkeln erblickte sie neben sich, wie die jungen Priesterinnen gegen zwei weitere Reiter kämpften. Bald schon fielen auch diese Männer zu Boden. Das Ufer des heiligen Sees war von Blut durchtränkt, als Brunhild den nächsten Mann, der auf sie zuhielt, mit einem gezielten Hieb aus dem Sattel hob. Röchelnd fiel er vom Pferd, und die junge Kriegerin wollte sich schon einem dritten zuwenden, als sie wieder innehielt. Von jenseits des Ufers hörte sie plötzlich eine samtartige Frauenstimme, die zu singen begann.
Der Reiter kam näher. Brunhild duckte sich geschickt, so daß der Mann sie mit seinem Schwert knapp verfehlte. Voller Kampfesmut wirbelte sie herum, versetzte dem Fremden einen Hieb in den Rücken und riskierte, als sie sah, daß sie ihn verwundet hatte, einen Blick hinüber auf die andere Seite des Sees. Inmee saß wie eine Königin mit ihrem roten Gewand auf der Stute und sang ein seltsames Lied. Brunhild überlegte fieberhaft, während sie dem verletzten Reiter mit einem zweiten Schlag in den Rücken traf, der ihn tot vom Pferd stürzen ließ, was sie tun konnte, um Inmee aufzuhalten.
Sie warf einen Blick auf Ramee. Auch die alte Priesterin hatte sich aufgerichtet und horchte.
»Was für ein Lied singt sie?« fragte Brunhild atemlos.
»Es ist kein Lied, sondern ein dunkler Reigen aller Namen der schwarzen Göttin. Wenn es ihr gelingt, den Reigen zu beenden, dann hat sie die Macht der weißen Göttin hier so weit verdrängt, daß sie ihre schwarzen Flüche herüberschleudern kann, ohne daß einer von uns sie daran hindern könnte«, sagte die Alte und stimmte ein heiliges Lied an, das Brunhild sehr vertraut war. Es war der Lobgesang, der jeden Morgen bei Sonnenaufgang von den Priesterinnen für die weiße Göttin gesungen wurde. Ramees tiefe, kräftige Stimme schien die andere zum Duell herauszufordern. Für den Hauch eines Augenblickes hatte Brunhild das Gefühl, die andere veränderte den Rhythmus ihres Reigens. Ramee sang daraufhin lauter, so daß die Luft um sie herum von Licht erfüllt zu sein schien. Inmee nahm die Herausforderung an. Ihre Stimme wurde heller, doch Brunhild hatte den Eindruck, daß dafür die Namen, mit denen die schwarze Priesterin ihre Göttin herbeirief, immer düsterer wurden. Mehr und mehr gerieten die beiden Priesterinnen in Kampfeszorn. An Stelle von blankem Stahl setzten die mächtigen Frauen nun Ton um Ton, Vers um Vers gegeneinander, bis es wie ein schauriges Duett über den See hinüberklang. Einen Herzschlag lang stand Brunhild unbeweglich da, wie benommen von der unheimlichen Macht, welche die beiden Priesterinnen sich entgegenschlugen.
Aber dann sah sie aus den Augenwinkeln erneut einen Reiter auf sich zukommen. Erwartungsvoll hielt sie
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