Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Griff des Messers in seinem Gürtel.
»Ich habe ihr befohlen, Euch und den Spielmann zu beobac h ten. Ich mußte Gewißheit über euch haben.«
Golo packte den Kerl bei seinem Wams und drückte ihn g e gen die Mauer. »Gewißheit vorüber? Was soll das?«
Mit eisernem Griff schlossen sich die Hände des Dieners um die Arme des jungen Ritters. »Nicht hier! Laßt mich los, Herr. Wir werden vielleicht beobachtet. Ich kann jetzt nicht reden. Kommt eine Stunde nach Sonnenuntergang in das verfallene Römerbad. Ihr müßt der Straße am Ende des Platzes folgen. Haltet Euch dann nach zweihundert Schritt links. Ihr werdet die Ruinen des großen Bauwerks selbst im Dunklen erkennen. Dort werde ich auf Euch warten. Geht dort auf den Innenhof. Im Schatten des dritten Torgewölbes könnt Ihr mich finden. Und kommt ohne den Spielmann, sonst werde ich vor Euch flüchten. Dem Herrn Volker trauen wir nicht.«
»Wer ist wir ? Und was soll das ganze Versteckspiel übe r haupt?«
Der Diener löste sich aus dem Griff des jungen Ritters. »Nur soviel, gnädiger Herr. Hütet Euch vor Ricchar! Er ist der Vers u cher!« Bevor er ihn zurückhalten konnte, lief der kleine Mann davon. Ein kühler Wind wehte über den Platz vor dem Palast.
»Der Versucher !« Golo schüttelte den Kopf. Wußte der Diener etwa von dem Angebot, das ihm der Graf gemacht hatte?
Nachdenklich ging der junge Ritter zur Festhalle zurück.
»Laß uns das Mahl verlassen, mein Freund! Ich denke, es ist an der Zeit dir, etwas zu zeigen.« Ricchar hatte sich zu Volker hi n übergebeugt und seinen Weinpokal zur Seite gestellt. Dem Spielmann war aufgefallen, daß der Fürst an diesem Abend fast nichts getrunken hatte. Überhaupt ging es auf den Festen der Franken wesentlich gesitteter zu, als er es von Kriegern erwa r tet hätte. Nicht einer der Männer schien betrunken. Es wurde nicht gegrölt oder lauthals mit nie begangenen Taten geprahlt. Selbst wenn sie feierten, wirkten die Vertrauten Ricchars noch diszipliniert.
»Willst du mich begleiten?« Der junge Fürst sah Volker fr a gend an.
»Wollen wir noch auf Golo warten?«
»Ich glaube, dein Gefährte hat in Wirklichkeit nur nach einem Vorwand gesucht, das Fest verlassen zu können. Heute werden wir ihn gewiß nicht mehr wiedersehen.«
Der Spielmann nickte. Auch ihm war aufgefallen, daß Golo sich nicht wohl fühlte, doch war ihm unbegreiflich, woran das liegen mochte. Der Bauernsohn konnte Ricchar nicht leiden. Aber das hieß nicht viel. Golo mochte kaum einen Adeligen. Er fand es nicht gerecht, wenn man Macht und Reichtum in die Wiege gelegt bekam, statt sie sich zu verdienen. Volker lächelte. So war der Lauf der Welt. Eines Tages würde auch Golo begre i fen, daß sich daran niemals etwas ändern würde. Und war es nicht Gott selbst, der entschied, wer zum Regieren und wer zum Dienen geboren ward?
Ricchar erhob sich von seiner Kline. »In den Ställen warten zwei Pferde auf uns. Wir werden ein Stück aus der Stadt hi n ausreiten.«
»Und wohin willst du mich bringen? In spätestens einer Stunde ist es stockfinster.«
Der Graf lächelte. »Vielleicht will ich dir den Weg zum Licht weisen.«
Keiner der anderen Gäste erhob sich. Sie wirkten auch nicht verwundert. Volker hatte fast den Eindruck, daß sie alle eing e weiht waren in das, was nun geschehen sollte. Der Spielmann schluckte. Zum ersten Mal, seit er an Ricchars Hof weilte, fühlte er sich nicht mehr wohl in seiner Haut.
Daß Volker und Ricchar nicht mehr beim Gastmahl weilten, als er zurückkehrte, hatte Golo nicht wirklich überrascht. Auch der junge Ritter zog sich bald auf seine Kammer zurück. Er lag auf seiner Bettstatt und beobachtete durch das schmale Fenster, wie die Finsternis langsam das Abendrot besiegte. Als es so dunkel geworden war, daß er die Möbel in seinem Gemach fast nicht mehr erkennen konnte, erhob er sich von seinem Lager und nahm den braunen Umhang, den er über die Lehne des Stuhls gelegt hatte. Er war eigentlich zu warm für diese Jahreszeit, aber die dunkle Farbe würde Golo in den Straßen der Stadt vor neugierigen Blicken schützen.
Einen Moment lang überlegte der Krieger, ob er sein Kette n hemd anlegen sollte, doch dann entschied er sich gegen die schwere Last. Er ritt schließlich nicht in eine Schlacht, sondern traf sich nur mit einem versponnenen Diener. Der lange Dolch, den er am Gürtel trug, war Schutz genug! So warf er sich den Umhang über die Schultern und verließ die Kammer.
Die Wachen im Palast
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