Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
den mittleren Bogen, doch der Diener aus dem Palast war nicht dort. Golo überlegte, ob er vielleicht zu früh war. Vielleicht war sein rätselhafter Freund auch aufgehalten wo r den. Mit einem resignierenden Seufzer ließ sich der junge Ri t ter, an die Gewölbewand gelehnt zu Boden sinken. Doch kaum, daß er saß, war er mit einem leisen Fluch auch wieder auf den Beinen. Der Boden war feucht. Vom letzten Regen hatte sich wohl eine kleine Pfütze gesammelt, die durch die Hitze des T a ges fast völlig ausgetrocknet sein mußte.
Ärgerlich ging Golo unter dem Torbogen auf und ab. Hin und wieder verharrte er eine Weile und sah den treibenden Wolken am Himmel zu. Wo Volker jetzt wohl war? Womöglich war die ganze Geschichte mit dem Diener auch nur eine Intrige, die Ricchar ersonnen hatte, um herauszufinden, ob er mit Verrätern paktieren würde. Golo ballte die Fäuste! Und er war natürlich dumm genug, darauf hereinzufallen! Es reichte! Nach seiner Schätzung hatte er jetzt mindestens eine halbe Stunde gewartet. Der Kerl würde bestimmt nicht mehr kommen. Es war an der Zeit in den Palast zurückzukehren.
Wenn er daran dachte, was mit ihm geschehen würde, wenn er tatsächlich auf eine Intrige des Grafen hereingefallen war, wurde Golo ganz übel. Die Franken waren berüchtigt für ihre grausamen Hinrichtungen. Sie begnügten sich fast nie damit, einem Verurteilten einfach nur den Kopf abzuschlagen oder ihn zu erhängen. Vierteilen, aufs Rad flechten oder einem mit gl ü henden Zangen das Fleisch vom Leib reißen, das waren nur einige der widerlichen Todesarten, die sie für ihre Feinde parat hatten. Golo schauderte. Warum nur hatte er sich darauf eing e lassen, in diese verfluchten Bäder zu kommen. Er kannte den Mann ja nicht einmal richtig, der ihn hierherbestellt hatte. Er gehörte geohrfeigt für seine Dummheit!
Einen Moment lang überlegte der junge Ritter, ob er nicht am besten gleich zu den Ställen schleichen sollte, um sich sein Pferd zu holen und zu türmen. Doch dann dachte er an Volker. Was sie dem Sänger wohl antun würden, wenn er sich einfach aus dem Staub machte? Dem Grafen war zuzutrauen, daß er seine Wut womöglich am Spielmann ausließ. Das konnte er nicht zulassen!
Mit gemischten Gefühlen überquerte Golo den großen Platz vor dem Palast. Schon von weitem konnte er die Torwachen erkennen. Es waren vier Mann, die unter dem Säulengang standen. Neben ihnen steckten in eisernen Halterungen einige Fackeln an der Wand. Sie tauchten den Eingang zum Palast in flackerndes gelbes Licht.
Golo straffte sich. Er sollte sich nichts anmerken lassen! Mit langen Schritten hielt er auf den Eingang zu und passierte. Die Männer musterten ihn knapp. Keiner machte Anstalten, ihn aufzuhalten. Er hatte Glück gehabt! Die Intrige und all seine dunklen Gedanken waren nichts als Hirngespinste! Vielleicht tat er dem Grafen Ricchar unrecht, wenn er so schlecht von ihm dachte.
Auch auf dem kleinen Innenhof, der ein Stück hinter dem Eingang lag, standen Wachen. Golo grüßte im Vorbeigehen und hielt dann auf sein Zimmer zu. Fast hatte er die Tür schon e r reicht, als er hinter sich eilige Schritte hörte. Jetzt nur nicht u m drehen! Seine Hand legte sich auf den bronzenen Türring zu seiner Kammer.
»Herr Ritter!«
Golo fluchte innerlich. Was hatte er falsch gemacht? Langsam drehte er sich um. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Wenn jemand fragte, wo er gewesen war, würde er behaupten, er h a be nach einer Straßendirne gesucht.
»Was gibt ’ s?« Der junge Ritter bemühte sich, möglichst gela s sen zu klingen.
»Euer Beinkleid, Herr … Es ist voller Blut! Seid Ihr verletzt? Soll ich nach einem Heilkundigen rufen lassen?«
Verwirrt blickte Golo an sich herab. Tatsächlich! Seine Bei n linge waren von hinten mit dunklem Blut verschmiert. Auch seine rechte Hand war rot von geronnenem Blut! »Was bei allen Heiligen … « Der junge Ritter stützte sich gegen die Wand.
»Hat man Euch angegriffen, Herr? Ihr seid blaß wie der Tod!«
»Es ist schon gut. Ich bin gestürzt … Es ist nichts Schlimmes. Ich werde die Wunde waschen und verbinden.«
»Seid Ihr sicher, daß ich nicht doch nach dem Heilkundigen des Grafen schicken soll? Er kommt aus Byzanz … Er ist ein sehr guter Mann und … «
»Ich komme alleine zurecht! Hab Dank für deine Anteilna h me, doch gestatte, daß ich mich nun auf meine Kammer z u rückziehe. Ich bin erschöpft … «
»Jawohl, Herr!« Der junge Krieger verneigte sich
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