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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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geblieben ist, habe auch ich nur Verachtung übrig. Doch einst hat das römische Volk die ganze Welt beherrscht. Wenn nicht auch wir eines Tages vor Etzels Kriegern winselnd im Staub liegen wollen, dann müssen wir das Geheimnis von Roms verlorener Größe ergründen. Mein König hat Gesandte an den Hof der Hunnen geschickt. Sie berichten, daß Etzels Reiter so zahlreich wie die Kiesel am Ufer des Rheins sind. Wenn sie eines Tages beschließen sollten, in den Westen vorzustoßen, dann wird nichts und niemand sie aufhalten können. Es sei denn, wir könnten ihnen eine Armee entgegenstellen, wie sie einst Rom besessen hat. Doch das g e nügt noch nicht … « Der Krieger blickte zu den Bergen westlich der Stadt und schien plötzlich düsteren Gedanken nachzuhä n gen.
    »Und was würde der Heermeister des Frankenkönigs tun, um Etzel zu bezwingen?« stichelte Volker.
    »Den Krieg mit den Hunnen von langer Hand vorbereiten«, entgegnete Ricchar trocken. »Eines Tages werden sie hierher an den Rhein kommen, und dann müssen wir gerüstet sein. Doch dazu reicht es nicht allein, eine Armee zu haben. Hinter jedem Soldaten müssen mindestens fünf Männer stehen, die ihn u n terstützen, wenn er erfolgreich im Krieg sein soll. Wir brauchen Schmiede, die nichts anderes tun, als Rüstungen und Waffen für unsere Kämpfer herzustellen. Köhler, die dafür sorgen, daß der Vorrat an Holzkohle neben den Schmiedefeuern niemals zur Neige geht. Bergarbeiter, die das Erz aus den Tiefen der Erde holen. Schuster, die die Stiefel der Soldaten schneiden. Rinderherden, damit meine Männer Fleisch auf ihren Tellern liegen haben und damit es Leder für Stiefel und Sättel gibt … So geht es endlos weiter. Eine gute Armee allein genügt nicht. Die Römer waren so mächtig, weil sie all dies hatten. Cäsar konnte einst in weniger als einem Jahr zehntausend Soldaten unter Waffen stellen. Kein König kann ihm das heute gleichtun und wäre er selbst so reich wie der legendäre Midas! Es gibt einfach keinen Ort, an dem man zehntausend Schwerter kaufen kön n te … «
    Volker schüttelte den Kopf. »Das ist es doch nicht allein. Rom hatte genügend Schuster und Schmiede. Trotzdem haben uns e re Ahnen die Legionen vom Rhein vertrieben.«
    »Weil die Römer ihren Glauben und ihren Kampfgeist verl o ren hatten.« Ricchars himmelblaue Augen blitzten im Sonne n licht. »An beidem mangelt es meinen Kriegern nicht. Wenn ich ihnen auch den Rest verschaffe, dann werden sie unbesiegbar sein!«
    »Und ihr erstes Ziel ist dann Treveris, nehme ich an?«
    Der Frankenfürst zuckte mit den Schultern. »Vielleicht? Diese Entscheidung liegt bei meinem König.«
    »Das heißt, wir würden uns vielleicht eines Tages als Feinde auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen?« Volker musterte den Grafen, doch auf Ricchars Gesicht zeigte sich nicht die geringste Regung. Es war so kalt wie die eisernen Masken seiner Reiter.
    »Ich vertraue darauf, daß sich die Gerechten niemals feinds e lig gegenüberstehen. Die Kräfte des Guten werden sich vere i nen, um sich der Finsternis entgegenzustellen.«
    »Und die burgundischen Truppen, gegen die du im letzten Jahr gekämpft hast? Verkörpern sie für dich die Finsternis? Wie kannst du uns dann an deiner Tafel empfangen?«
    »Ein Dichter wie du steht immer für das Licht und die Wei s heit. Es wird Zeit, daß die Fürsten den Weisen und den Epikern wieder die Achtung zollen, die ihnen zusteht. Außerdem warst du im letzten Jahr nicht in die Kämpfe verwickelt. Ich denke, daß dies nicht Zufall, sondern Bestimmung war.«
    Volker lächelte. Er mochte den jungen Fürsten, auch wenn er ihm in vielem seltsam erschien. Doch war es nicht immer schon so, daß die großen Denker ihren Zeitgenossen seltsam erschi e nen? Ein Feldherr, der sich ebensosehr für die Dichtkunst wie für den Krieg interessierte, wo gab es so etwas in diesen Zeiten noch?
    »Und was willst du mit deiner Armee?« warf Golo ein. »Was für ein Unterschied besteht zwischen Etzel und seinen Horden und euch Franken, wenn ihr erobernd und plündernd durch die Lande zieht? Die Bauern werden für euren Hochmut und eure prächtigen Kriegszüge bezahlen müssen. Wo ist der U n terschied, ob man den Zehnten an einen hunnischen Heiden entrichtet oder an einen dichtenden Frankenfürst?«
    »Dein Freund hat eine scharfe Zunge, Volker. Doch ich schä t ze es, wenn Männer den Mut haben, mir ihre Meinung ins G e sicht zu sagen.«
    Der Spielmann warf Golo einen zornigen Blick zu.

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