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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ließen ihn passieren, ohne Fragen zu stellen. Niemand schien es ungewöhnlich zu finden, daß er im Finstern noch in die Stadt ging. Vielleicht glaubten sie, daß er sich nach irgendeiner billigen Dirne umsehen wollte. Nun, sol l ten sie ihn ruhig für einen Hurenbock halten …
    Ohne Eile überquerte er den weiten Platz vor dem Herrsche r sitz. Der Wind hatte nachgelassen, und es war drückend schwül. Die Sterne lagen hinter mächtigen Wolkengebirgen verborgen. Vielleicht würde es in der Nacht noch ein Gewitter geben. Er spürte, wie ihm heißer Schweiß den Nacken und die Arme hinabrann. Dieser verfluchte Wollmantel! Er hätte ihn in seiner Kammer lassen sollen. Wahrscheinlich hielten die P a lastwachen ihn für verrückt, daß er sich bei dieser Hitze derart vermummt hatte.
    Als er das andere Ende des Platzes erreichte, warf Golo einen Blick über die Schulter. Niemand folgte ihm. Dennoch wählte er vorsichtshalber eine andere Straße als jene, die der Diener ihm benannt hatte. Der junge Ritter wollte ganz sichergehen, daß niemand ihm folgte! Schließlich schien sich der Diener vor i r gend etwas zu fürchten. Etwas im Palast schien nicht ganz g e heuer zu sein. Der Diener hatte von seinem Fürsten gesprochen, als sei Ricchar der Leibhaftige selbst. Der Versucher hatte er ihn genannt … Wenn Golo an das Angebot vom Nachmittag dachte, dann war dieser Titel für Ricchar zugegebenermaßen nicht ganz unangemessen.
    Der junge Ritter folgte der Straße eine Weile und kauerte sich dann in einen dunklen Hauseingang, um zu warten. Aus ke i nem der Fenster ringsherum fiel Licht. Mit klopfendem Herzen lauschte Golo, ob ihm jemand folgte. Doch außer dem Fauchen zweier streitender Katzen war nichts zu hören. Als Golo ganz sicher war, daß niemand mehr kommen würde, verließ er sein Versteck. Es war so finster, daß man kaum zwei Schritt weit sehen konnte. Um nicht zu stolpern, tastete er sich an den Wänden der Häuser entlang.
    Einmal kreuzte ein Trupp Soldaten eine Seitenstraße. Golo hörte ihren Marschtritt schon von weitem und versteckte sich in den Ruinen eines ausgebrannten Hauses. Die Krieger zogen vorüber, ohne ihn zu bemerken. Es waren acht Mann. Drei von ihnen trugen Fackeln. Eine ungewöhnlich starke Streife für eine Stadt, die nicht belagert wurde. Wovor fürchtete Ricchar sich, wenn er so viele Männer zum Wachdienst befahl? Ob der Di e ner ihm diese Frage beantworten würde?
    Golo wartete, bis die Soldaten außer Sicht waren, und eilte dann, so schnell es in der Dunkelheit ging, den Thermen entg e gen. Das verfallene Bad mußte einst so groß wie ein Palast g e wesen sein. Vorsichtig tastete sich der junge Krieger die br ö ckelnden Marmorstufen hinauf. Ein gewölbter Gang führte auf den Innenhof des Gemäuers. Plötzlich bemerkte er in einer N i sche einen Mann, der zu ihm herüberstarrte. Golo drückte sich mit dem Rücken zur Wand und zog seinen Dolch.
    »Wer da?«
    Es kam keine Antwort. War er in eine Falle getappt? Golo duckte sich leicht, bereit, den anderen anzuspringen, sobald er sich bewegte. Der Kerl schien allein zu sein. Etliche Herzschl ä ge lang musterten die beiden schweigend einander.
    »Bist du ein Gefolgsmann des Grafen?«
    Nichts. Was wollte der Kerl? Warum redete er nicht? Worauf wartete er nur? Golo war es leid. Er hob den Dolch und machte einen Schritt nach vorne. In dem Moment trat der Mond hinter den Wolken hervor. Ein breiter Streifen silbernen Lichts fiel in den Gewölbegang, und Golo erkannte, wen er belauert hatte. Mit einem erleichterten Lachen schob er den Dolch in seinen Gürtel zurück. Es war eine Statue! Das Bildnis eines Kriegers in einer seltsamen Rüstung. Der Soldat trug einen Brustpanzer, der wie die Muskeln eines kräftigen Mannes geformt war, und ein breiter Umhang fiel von seinen Schultern.
    Das Gerede des Dieners hat mich schon völlig durcheina n dergebracht, dachte Golo ein wenig ärgerlich und setzte seinen Weg fort. Nach zehn Schritten mündete der Durchgang auf e i nen großen gepflasterten Hof. Nur undeutlich konnte er im schwindenden Mondlicht die Ruinen der angrenzenden G e bäudeflügel erkennen. Das Badehaus mußte einst riesig gew e sen sein. Jetzt war der Prachtbau fast vollständig verfallen.
    Mit zusammengekniffenen Augen spähte Golo in die Finste r nis. Auf der rechten Seite des Hofes schien es drei nebeneina n derliegende niedrige Gewölbebögen zu geben. Vorsichtig schlich er über den mit Trümmern übersäten Platz. Endlich e r reichte er

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