Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
auch so. Doch das Schlimmste war die Tatsache, daß Golo langsam den Eindruck bekam, daß Volker das Leben unter den Räubern gefiel. Jeden Abend saß er mit ihnen in der Festhalle beisammen, sang derbe Sauf- und Hurenlieder und trank bis zum Morgengrauen Met und gestohlenen Wein. Die meisten der Halunken hatten ihn schon als einen der ihren akzeptiert. Golo schüttelte den Kopf. Ihn, einen Adeligen und Ritter, der zu den engsten Vertrauten des Königs von Burgund gehörte !
Schlechtgelaunt sah der junge Ritter an sich herab. Auch er hatte sich als Räuber maskiert, doch fühlte er sich in den Kle i dern unwohl. Er hatte einen hohen Preis gezahlt, um in den Ritterstand aufzusteigen … Und wohin führte ihn all das? Wenn Volkers Plan scheiterte, dann würde man sie schon morgen alle an den Zinnen der Stadt aufknüpfen. Was für ein Ende für zwei Ritter!
Inzwischen hatten sie fast das Stadttor erreicht. Golo blickte zurück zum Waldrand auf der anderen Seite des flachen Tals. Im Dämmerlicht sahen die Bäume wie eine schwarze Mauer aus. Dort im Schatten verborgen warteten die restlichen Spie ß gesellen des Ebers. Nur zu fünft standen sie vor der Stadt, in der sich ihr Schicksal entscheiden würde. Golo fühlte sich ang e sichts der mächtigen Mauern und stolzen Türme verloren. Was sie vorhatten, war verrückt! Vollkommen wahnsinnig!
Am Morgen hatte eine Maultierkarawane, eskortiert von der halben Garnison, Castra Corona verlassen. Die Tiere waren mit den Waffen beladen gewesen, die man in der Schmiedestadt in den letzten Monaten hergestellt hatte. Speer- und Pfeilspitzen, Helme, Schildbuckel, Schwerter und Dolche. Ausrüstung für die Armee des Gaugrafen. Deshalb wurde der Zug auch von vierzig schwerbewaffneten Soldaten eskortiert. In diesen kri e gerischen Zeiten waren die Waffen aus Castra Corona ihr G e wicht in Silber wert. Die Maultierkarawane würde zunächst nach Icorigium ziehen, um von dort aus über Tolbiacum nach Castra Bonna zu gelangen.
Eine Stimme rief sie von den Zinnen herab an. »He, ihr G e sindel! Macht euch davon! Die Tore sind geschlossen und we r den erst zur Morgenstunde wieder geöffnet. Gestalten wie euch will der Statthalter nicht über Nacht vor seinen Mauern lagern sehen!«
»Wenn du nicht öffnest, dann werden wir eben nach Icorig i um weiterziehen, Soldat. Ich bin sicher, dort wird man die Männer, die den Eber gefangen haben, freundlicher begrüßen. Man sagt, der Statthalter dort sei ein kluger Mann. Er wird sich gewiß nicht die Gelegenheit entgehen lassen, dem Gaugrafen Ricchar persönlich den Kopf des Räubers zu überreichen.« Es war Volker, der geantwortet hatte. Wie um seine Worte zu u n terstreichen, stieß er den Eber, dem die Hände auf den Rücken gefesselt waren, ein Stück nach vorne.
Einige Herzschläge lang herrschte Stille. Dann endlich erklang wieder die Stimme des Frankenkriegers. »Warte, Mann! Warte! Wir werden eine Ausnahme machen.«
Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis endlich das Scharren des schweren Querbalkens zu hören war und die massigen Flügel des Stadttors aufschwangen. Ein Offizier mit prächtig bestickter Tunika und rotem Roßschweif auf seinem Spange n helm stand inmitten des von Fackeln erleuchteten Torbogens.
»Wer ist der Mann, der behauptet, den berüchtigten Eber g e fangen zu haben?« fragte der Krieger mit befehlsgewohnter Stimme.
Volker löste sich aus der Gruppe und trat dem Franken en t gegen. »Ich, Gernot von Auw. Laß mich und die meinen in die Stadt, denn ich fürchte, die Getreuen des Ebers sind nicht mehr weit entfernt und werden versuchen, ihren Anführer zu befre i en.«
Der Offizier schüttelte den Kopf. Golo konnte das Trappeln von eisenbeschlagenen Soldatenstiefeln auf dem Wehrgang über dem Tor hören. Schatten bewegten sich hinter den Zinnen. Sicher bezogen dort gerade Bogenschützen und Speerwerfer ihre Posten. Nervös leckte sich der junge Ritter über die trock e nen Lippen. Sie hätten niemals hierherkommen dürfen!
»Zeig mir den Mann, den du Eber nennst. Ich hab ’ diesem Strauchdieb einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberg e standen! Ich werde ihn wiedererkennen, wenn du den Richt i gen bringst.«
Volker packte den Eber am Ärmel, zerrte ihn nach vorne und verpaßte ihm dann einen derben Stoß, so daß der Räuber dem Franken fast vor die Füße stürzte. »Nun, erkennst du den Ba s tard wieder?«
»Beim Schwerte Mithras ’ , das ist er! Wir werden ihn sofort dem Statthalter vorführen.«
Der
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