Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
konnte. Es war ein junger Kerl, der offensichtlich amüsiert den Beschimpfu n gen des Statthalters lauschte.
»Wie ist das, wenn du auf einer Frau liegst, Eber, und sie, selbst wenn sie eine bezahlte Hure ist, das Entsetzen in ihren Augen nicht verbergen kann, weil sie dir ins Angesicht sehen muß.«
»Ich genieße es.« Die Stimme des Ebers war kalt wie Eis. Vo l ker machte noch einen Schritt in Richtung des Wachsoldaten. Lange würde es nicht mehr dauern, bis der Eber die Klinge zückte, die er hinter seinem Rücken verbarg. Vielleicht wäre es besser, wenn er das Zeichen zum Angriff gab. Die Hand des Burgunden glitt zum Schwertknauf. Sie brauchten den Stattha l ter lebend! Das würde einiges erleichtern. In einer fließenden Bewegung riß Volker sein Schwert aus der Scheide und verset z te dem Krieger an der Tür mit der flachen Seite einen Schlag gegen die Schläfe. Der Franke ging sofort zu Boden.
Aus den Augenwinkeln sah der Spielmann, wie der Eber den Schwertarm des Statthalters packte und herumdrehte, bis ein trockenes Krachen, so wie von einem zerbrechenden Ast zu hören war. Die Waffe des Offiziers fiel zu Boden. Der junge Krieger war leichenblaß, aber er gab keinen Laut von sich.
»Du hättest meine Mutter keine Hure nennen sollen … « Der Eber hielt dem Franken das Messer an die Kehle.
»Laß ihn leben! Wir werden ihn als Geisel brauchen!« Volker wollte nach der Klinge greifen, doch der Eber stieß ihn zur Se i te.
»Ihr kommt hier niemals heraus«, stöhnte der Statthalter leise. »Das einzige Tor ist verschlossen und von sechs Kriegern b e wacht. Ihr werdet beide sterben in dieser Nacht.«
Der Eber lachte leise. »Aber wir werden nicht die ersten sein. Auf Wiedersehen in der Hölle, Ketzer.« Mit einem kräftigen Ruck zog er dem Offizier das Messer über die Kehle.
»Warum … « Volker blickte den Räuber fassungslos an.
Der Eber packte den Statthalter beim Gürtel und hob ihn hoch, so daß seine Füße ein paar Zoll über dem Boden pende l ten. Der Franke röchelte. Er hatte die Augen zur Decke hin ve r dreht, so daß nur noch das Weiße zu sehen war. In pulsiere n den Stößen spritzte ihm Blut aus der klaffenden Halswunde.
»Was willst du, Ritter? Draußen ist es dunkel. Ich werde den Kerl vor mir hertragen. Wir lassen einfach niemanden nahe g e nug heran. Dann werden sie schon nicht merken, daß dieses Drecksstück nicht mehr lebt.«
»Und wenn ihn jemand etwas fragt?«
»Dann halte ich meine Hand auf seinen Mund, so als wollte ich verhindern, daß er antwortet … «
Volker zuckte resignierend mit den Schultern. Es war sinnlos, mit dem Eber zu reden. Der Räuber hatte das Schwert des Statthalters vom Boden aufgehoben und trat zur Tür.
»Ich glaube, es ist besser, wenn du vorgehst, Ritter.«
Der Spielmann schob sein Schwert in die Scheide zurück. Er war sicher, daß er auf sich allein gestellt aus dem Kastell en t kommen könnte, doch mit diesem Halsabschneider im N a cken … Er verfluchte den Tag, an dem er dem Eber den Vo r schlag gemacht hatte, die Garnison zu überfallen.
Vor dem Zimmer des Statthalters führte ein langer Flur zum Eingang des Praetoriums. Ganz am Ende des Ganges brannte eine Laterne. Ansonsten war es dunkel. Nirgends waren W a chen zu sehen … Der Spielmann wartete noch einen Moment, dann trat er durch die Tür und gab dem Eber einen Wink, ihm zu folgen. Zu lange sollten sie nicht mehr verweilen. Mernog, der Krieger, den der Statthalter ausgesandt hatte, um das Kop f geld für den Eber zu holen, mußte jeden Augenblick zurüc k kommen.
»Verdammt, der lebt ja noch!«
»Was?«
Volker drehte sich um und sah den Eber über dem niederg e schlagenen Türposten kauern. »Wo hast du nur das Krieg s handwerk gelernt, Ritter. Du hast ihn nicht richtig getroffen.« Der Räuber schob sein blutiges Messer in den Gürtel zurück. »Der Kerl wird uns nicht mehr in den Rücken fallen. Ich habe deine Arbeit zu Ende geführt.«
Einen Moment lang war Volker versucht, sein Schwert zu zi e hen und diesen Unhold einfach niederzustechen. Er hatte in seinem Leben schon viele Schurken getroffen, aber jemand wie der Eber war ihm bislang noch nicht begegnet. Der Burgunde war sich sicher, daß der Räuber genau wußte, daß er den Fra n ken mit seinem Schwerthieb nicht versehentlich nur schlecht getroffen hatte, sondern daß er das Leben des jungen Kriegers hatte schonen wollen. Gnade und Edelmut schienen dieser Be s tie in Menschengestalt unerträglich zu sein!
Volker
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