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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Vertrauen dieses Jungen zu gewinnen.
    Elena hätte jetzt irgendwelche kernigen Sprüche über Eltern und Kinder gebracht, hätte sich auf das sprachliche Niveau des Jungen begeben und ein wirkliches Gespräch begonnen, und ganz bestimmt hätte Sven ihr zugehört.
    »Der Tod ist nicht so schlimm, wie alle denken«, sagte Sven und biss auf seinem Daumennagel herum. »Sie denken das doch auch, oder? Dass der Tod schlimm ist.«
    Die Stille vibrierte zwischen ihnen, und Jan begriff, dass das tatsächlich eine Frage gewesen war. Er wollte antworten, aber etwas war in seiner Kehle, und er musste sich räuspern.
    »Ja«, sagte er dann. Es klang wie ein Krächzen.
    »Ich glaube, wenn ich tot bin, komme ich ins Auenland«, sagte der Junge. Seine Stimme hatte einen verträumten Klang. »Lauter so grüne Hügel und so, alles voll friedlich, und keiner nervt. Kennen Sie überhaupt Der Herr der Ringe? «
    »Klar«, brachte Jan heraus. »Kennt doch jeder.«
    »Alle drei Teile?«
    »Ja. Im zweiten waren viel zu viele Schlachten.«
    »Finden Sie?« Sven überlegte eine Weile. »Jedenfalls, dann haben Sie ja auch den Anfang gesehen. So war es nämlich bei meiner Mutter. Diese Party, ein riesiges Fest halt, und dann war sie plötzlich weg. Ein schöner Tod. Wie bei Bilbo.«
    »Moment«, sagte Jan. »Deine Mutter ist vor der Party verschwunden, nicht mittendrin. Und Bilbo war außerdem nicht tot, sondern nur unsichtbar.«
    »Das ist ja symbolisch.« Sven kaute weiter auf seinem Daumen herum. »Verstehen Sie das nicht? Das mit dem Ring, meine ich. So ist nämlich der Tod. Als ob man den Ring ansteckt. Man selbst ist weg, und die anderen sind noch da. Sie können einen nicht mehr sehen und denken darum, dass sie allein sind.«
    Für einen Moment folgte Jan dem Bild, dachte an die fröhliche Geburtstagsfeier aus dem Film, bunte Lampions, die an einer Schnur tanzten, schwatzende Gäste, die das Essen genossen. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Es ist keine Party, von der du hier verschwindest, Sven. Guck dich um! Keine Freunde, keine Musik. Niemand feiert mit dir.«
    Das Gesicht des Jungen verdüsterte sich. Er sah sich um, als wolle er die hohen Decken seines Elternhauses um Rat fragen. Auf diesen Moment hatte Jan gewartet.
    Er sprang.
    Und wäre der Sessel unter seinem Hintern nicht so sagenhaft weich und nachgiebig gewesen, hätte sein Sprung vielleicht sogar Aussicht auf Erfolg gehabt.
    *
    Sie schwiegen. Reimann fuhr schnell, zu schnell eigentlich, aber Elena hoffte, dass ein Wunder geschehen und er noch ein wenig beschleunigen würde. Das tat er nicht. Stattdessen rieb er sich die rötlichen Stoppeln und sah zu ihr rüber.
    »Also der Junge.«
    »Er hat Valerie Koller zuletzt gesehen, sagt die Schülerin. Sie hat beobachtet, wie die beiden mit dem Auto weggefahren sind. Das war gegen zwölf, also kurz vor dem mutmaßlichen Todeszeitpunkt.«
    »Was hatte der Junge denn gesagt, wo er war?«
    »In der Schule.«
    Reimann zog die Zigarettenschachtel aus seinem Parka, sah sekundenlang darauf. Dann steckte er sie wieder ein und umklammerte das Lenkrad noch ein wenig fester.
    »Und du meinst wirklich, der Junge ist unser Täter? Was ist mit Sippmeyers Geständnis?«
    »Sippmeyer hat erst gestanden, als wir ihn mit Frenzes Ergebnissen konfrontiert haben. Die Mordwaffe war ein Bügelschloss, höchstwahrscheinlich. So eins hat Sippmeyer, warum nicht auch sein Sohn? Ihm muss sofort der Gedanke an Sven gekommen sein, darum sein Geständnis. Er wollte ihn schützen.«
    »Obwohl er ein Mörder ist?«
    »Was weiß ich denn, Väter und Söhne. Du bist doch hier der Familienmensch, Reimann.«
    »Elena, ich wollte dir längst …«
    »Halt einfach den Mund und fahr, okay?«
    »Okay.«
    Endlich tauchte das Ausfahrtsschild rechts von ihnen auf.
    »Und wie passt die Mutter des Jungen da rein? Hat er die auch beseitigt?«
    »Das werden wir sie fragen, sobald wir sie sehen. Sie müsste gleich da sein.«
    »Wo?«
    »Im Haus. Nina hat eben durchgegeben, dass Jans Oma Margit Sippmeyer befreit hat und mit ihr im Sippmeyer-Haus ist.«
    »Jans WER?« Reimann verschluckte sich, der Wagen schlingerte. Er griff wieder nach den Zigaretten, klappte sein Benzinfeuerzeug auf und inhalierte gierig. »Jans Oma befreit unsere Verschwundene, ich glaub’s nicht!«
    »Reimann! Mach das Ding aus!«
    »Ich brauche die jetzt. Und wenn dir das nicht passt, kannst du aussteigen.«
    Elena presste die Lippen aufeinander. »Fahr weiter«, sagte sie.
    *
    Immer denkt man, dass die

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