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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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strammen Fußmarsch nach Oberkassel unternommen und die Konkurrenz aufgesucht. Die Spaziergänge am Rhein hatte sie stets besonders genossen. Es war ein lauer Herbsttag, und bestimmt war die Promenade gut besucht von Spaziergängern, Müttern mit Kindern, die die Enten fütterten, und den unseligen Radfahrern, vor denen man sich so in Acht nehmen musste. Aber leider gehörten die schönen Spaziergänge der Vergangenheit an, zu unbeweglich war sie geworden.
    An manchen Tagen fiel es ihr schwer, das Haus zu verlassen. Nicht jedoch heute. Heute hatte sie etwas erlebt, etwas wirklich Aufregendes, und sie brannte darauf, sich die Szene bei einem Stück Frankfurter Kranz wieder und wieder durch den Kopf gehen zu lassen. Oder vielleicht bei Floridasahne.
    Der Kuchen hier, dachte sie, während sie die üppige Auslage betrachtete, war es wirklich wert, dass man sich ein wenig Zeit für die Auswahl nahm. Nicht wie das Zeug, das sie in den Ketten verkauften, wo alles gleich schmeckte. Hier gab es noch richtige Konditorware. Zwar schob sich leise die Warnung ihres Hausarztes zwischen ihren Appetit und das verlockende Tortenstück, aber Edith beschloss, diese Stimme zu ignorieren. Genau wie das böse A-Wort, das sie heute in den Mund genommen hatte.
    Altenheim. Ihre Tochter Henriette hatte sie lange genug mit diesem Thema gequält. Im Moment schien sie jeder damit quälen zu wollen, nur weil sie diesen dummen kleinen Zwischenfall im Sommer gehabt hatte. Ein Schluckauf war es gewesen, nichts weiter. Auch ein Herz konnte einmal Schluckauf haben. Doch ihr Herz war ebenfalls kein gutes Thema für diesen wunderbaren Herbsttag.
    »Was wünschen Sie denn, Frau Herzberger?« Die Verkäuferin hatte sicher schon einige Male gefragt, und Edith fühlte sich ertappt, als die freundliche Stimme sie aus ihren Gedanken riss. Sie straffte ihre Schultern und versuchte, möglichst gerade zu stehen. Das war wichtig. Sie wurde immer krummer.
    »Ich überlege noch ein wenig.«
    »Aber gerne, lassen Sie sich ruhig Zeit.« Geschäftig machte sich die Frau an dem Backofen zu schaffen, in dem die frischen Brötchen gerade fertig geworden waren. Wohlwollend sah Edith ihr zu, bewunderte das makellose Weiß ihrer Kittelschürze. Wie nett und höflich die Frau war! Und das, obwohl sie gewiss schon lange auf den Beinen war und obendrein tattrige Kundinnen bedienen musste, die dem lieben Herrgott den Tag stahlen und am Ende nur ein einziges Stück Kuchen kauften! Beschämt beschloss Edith, zwei Stücke zu kaufen. Bestimmt konnte der Junge auch eins vertragen nach seinem anstrengenden Arbeitstag, vielleicht als Nachtisch. Zufrieden wandte sie sich wieder der Auslage zu. Also zwei Stücke. Vielleicht Kirschstreusel und …
    Das Klingeln der Ladentür unterbrach ihre Gedanken, und Edith drehte sich neugierig um, so schnell es ihre steifen Knochen erlaubten. Eine junge Frau im schicken Mantel, ein wolliges Hündchen an der Leine und ein feuerrotes Monstrum von Handtasche über der Schulter. Was die jungen Leute wohl alles in ihren Handtaschen spazieren trugen? Tragbare Computer, wahrscheinlich.
    »Guten Tag, Frau Winter«, grüßte die Verkäuferin.
    »Guten Tag!«
    »Was darf es denn heute sein?«
    »Wenn ich das wüsste …« Die schicke Dame war nicht bei der Sache, das sah Edith sofort. Ihr Blick irrte durch den Raum, nervös fuhr sie sich durch das platinblonde Haar. »Was nehme ich denn …«, murmelte sie zerstreut.
    »Unsere Schokosahne kann ich empfehlen, lockerer Biskuit mit Schokocreme und Raspelschokolade. Sie ist gerade erst geliefert worden und schon fast wieder weg. Nur noch vier Stücke sind da.«
    Das klang gut! Hoffentlich nahm die Kundin nicht mehr als zwei Stücke! Besorgt musterte Edith die süße Verführung. Genau das Richtige nach dem Abenteuer mit der Frau vom Altenheim!
    Die schicke Dame seufzte. »Eigentlich war ich ja zum Kaffee eingeladen bei Margit Sippmeyer … Und ich hatte extra nichts zu Mittag gegessen. Und jetzt, da die Feier abgesagt wurde …«
    »Abgesagt?« Die Verkäuferin wischte sich die Hände an der Schürze ab, dabei war gar nichts daran. Nicht einmal Mehl. »Aber unser Fahrer hat doch eben noch fünf Torten geliefert, stellen Sie sich vor, fünf! Und eine davon war eine riesige Geburtstagstorte. Und zweimal unsere Schokosahne.«
    Drei Augenpaare richteten sich auf die verbliebenen Tortenstücke, als könnten diese das Rätsel lösen.
    Die schicke Dame beugte sich verschwörerisch vor, warf einen raschen

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