Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
Vom Netzwerk:
Seitenblick auf Edith und flüsterte dann so leise, dass diese es gerade noch verstehen konnte: »Dann hat Ihr Fahrer nichts mitbekommen? Stellen Sie sich vor – die Haushälterin hatte gerade den Tisch gedeckt … ein ganz patentes Ding ist die, so eine fehlt uns … Und wie sie Frau Sippmeyer nach Gläsern fragen will, ist die verschwunden! Das Fenster offen, der Wagen vor der Tür … Als hätte sie sich in Luft aufgelöst! Und das, wo sie so viele Leute eingeladen hat. Sie wird heute vierzig!«
    Die Verkäuferin schnappte nach Luft, und Edith spitzte die Ohren, damit ihr kein Wort entging. »Vierzig? Das hätte ich nicht gedacht, sie sieht viel jünger aus!«
    »Finden Sie?« Eine Spur Gehässigkeit lag im Tonfall der schicken Dame. »Jedenfalls hoffe ich, dass da nichts passiert ist. Einfach so verschwinden … Das geht doch nicht!«
    »Haben die denn die Polizei gerufen?«
    »Das habe ich auch sofort gefragt! Aber der Ehemann will noch warten, man weiß ja nicht, vielleicht taucht sie wieder auf. Obwohl ich mich frage, warum sie dann alles abgesagt haben.«
    Die beiden schwiegen und sahen dann wie auf ein Wort zu Edith, die den Kopf einzog und interessiert die Auslage musterte.
    »Was nehmen Sie denn jetzt, Frau Winter?«, fragte die Verkäuferin, als wolle sie das Thema wechseln. Die Dame seufzte erneut und betrachtete ihr Hündchen, das reglos neben ihr saß. »Ich glaube, die Aufregung schlägt mir auf den Magen. Ein süßes Brötchen. Aber ohne Rosinen. Und ein Pfund Kaffee. Aber ohne Koffein.«
    Während Edith ihr Kuchenstück einpacken ließ – doch nur eins, denn wenn sie die Fakten richtig zusammenzählte, würde der Junge heute einen langen Arbeitstag haben und nicht zum Abendessen kommen –, dachte sie darüber nach, wie sie ihn erreichen konnte. Wenn eine Frau aus dem Ort verschwunden war, musste er das erfahren. Und wenn noch niemand die Polizei gerufen hatte, musste sie es eben tun.
    Während sie mit wackeligen Schritten, ihr kleines Kuchenpaket balancierend, auf die Hauptstraße trat, überlegte sie fieberhaft, wie sie ihn erreichen konnte. In ihrem Portemonnaie befand sich für Notfälle seine Visitenkarte. Dies war ein Notfall. Also musste sie erstens ein Telefon finden und zweitens jemanden, der ihr half, die winzige Schrift zu entziffern, denn sie hatte ihre Lesebrille nicht dabei.
    Edith blieb stehen. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als in die Bäckerei zurückzugehen und die nette Verkäuferin um Hilfe und ein Telefon zu bitten. Vielleicht sollte sie, um ihre Dankbarkeit zu zeigen, noch etwas von der Schokosahnetorte kaufen.
    Drei Stücke waren ja noch da.
    *
    Die Villa der Sippmeyers war beeindruckend. Ein grauer, quadratischer Prachtbau am Rhein, dreistöckig, umgeben von einer parkähnlichen Grünanlage, die eine hohe Mauer vor neugierigen Blicken abschirmte.
    »Ich verstehe das mit der Handtasche nicht. Sie würde niemals ohne ihre Handtasche aus dem Haus gehen.« Dr. Michael Sippmeyer hob die Schultern, eine Geste, die an ihm irgendwie aufsehenerregend wirkte. Jan hätte schwören können, dass Elena neben ihm scharf die Luft einsog.
    Sippmeyer war ein umwerfend attraktiver Mann. Er war groß, größer als Elena, und wenn sich in seinem etwas zu langen Haar graue Strähnen befanden, die man bei einem Mann von etwa fünfzig erwarten konnte, so blieb genug Blond übrig, um es zu verdecken. Sein grauer Anzug wirkte ausgesucht und edel und ließ gut verteilte Muskelpakete darunter erahnen.
    Der Mann passte perfekt in dieses Haus, in dem alles nach Erfolg roch. Auch das Wohnzimmer zeugte von Reichtum und Geschmack. Die geschickte Mischung aus Antiquitäten und Designklassikern verriet die Hand eines Innenarchitekten, und das Eichenparkett besaß jenen goldenen Schimmer, den nur hingebungsvolle Pflege zustande brachte. Während er in einem himmlisch bequemen Sessel versank, fragte sich Jan, ob Margit Sippmeyer wohl persönlich jeden Freitag zum Bohnerwachs gegriffen hatte.
    Wie auf ein Stichwort erschien Cecilia Thomas im diskreten schwarzen Hauskleid und brachte Kaffee und Gebäck. Sie war es gewesen, die das Verschwinden ihrer Arbeitgeberin entdeckt hatte. Sie hatte sich knapp und widerwillig den Fragen der Beamten gestellt und verschanzte sich jetzt hinter ihrer Rolle.
    »Danke sehr«, sagte Elena und warf Jan einen mahnenden Blick zu. Lass sie, hieß dieser Blick, ich kümmere mich später um sie.
    Sippmeyer hatte sich bemüht, ihre Fragen zum Verschwinden seiner Frau

Weitere Kostenlose Bücher