Nibelungenmord
die Frau geschäftig mit der Kaffeekanne hantierte, warf sie Elena einen neugierigen Blick zu. »Sind Sie die neue Biolehrerin?«
»Ich? Nein, nein, ich gehöre nicht zum Kollegium.«
»Schade. Hoffentlich kommen bald ein paar neue Lehrer, damit das Durcheinander hier aufhört. Jetzt ist ja auch noch die Biolehrerin ermordet worden, da haben Sie sicher von gehört.«
»Habe ich.« Elena nahm einen Schluck von dem heißen Kaffee und verbrannte sich prompt die Lippen. »Kannten Sie die?«
»Ich kenne hier alle.« Stolz klang in der Stimme der Frau durch. Sie nahm einen feuchten Lappen und begann, die Kaffeemaschine zu polieren. »Eine feine Frau war das, wirklich. Hat viel gemacht. Viel gearbeitet. Und immer freundlich, immer schick … Manchmal frage ich mich, wie die das machen, die berufstätigen Frauen. Dabei hat die selbst noch eine Tochter, die geht auch hier zur Schule. Muss viel Arbeit für die arme Frau gewesen sein, immer die Korrekturen und Konferenzen und dann noch die Tochter und die Hausarbeit. Und immer tadellos geschminkt. Aber wahrscheinlich hat sie eine Putzfrau.« Ihrem Ton war zu entnehmen, dass sich dadurch die beachtliche Leistung von Valerie Koller auf ein akzeptables Maß reduzierte.
»Wahrscheinlich«, sagte Elena, ohne eine Miene zu verziehen.
»Bei der hätten Sie sich bedanken können für die gesunde Kost hier«, sagte die Frau und beugte sich verschwörerisch näher. »Unter uns, der haben wir das zu verdanken. Hat sich eben gesorgt um die Kinder, sie hat ja auch recht, die frühstücken oft gar nicht mehr zu Hause.«
»Haben wir früher auch nicht.«
»Meinen Sie?« Die Stimme klang ratlos. »Ist bestimmt besser jetzt mit den gesunden Brötchen. Obwohl, Zucker ist auch gut für die Nerven, und manchmal denke ich, so was könnten die Schüler gebrauchen.«
»Wir alle wahrscheinlich«, bestätigte Elena und dachte an die Bananen und Satsumas in ihrem Rucksack. »Können Sie sich denn vorstellen, warum jemand Frau Koller ermordet hat?« Sie bemühte sich, möglichst privat zu klingen, und hoffte, dass ihr das gelang.
»Das habe ich mich auch schon gefragt. So eine feine Frau … So tüchtig! An der konnte man gar nichts auszusetzen haben.« Der Lappen fuhr immer wieder über die spiegelblanke Kaffeemaschine.
Ein lautes Knurren ertönte in Elenas Magen. Schon wieder. Es war höchste Zeit, etwas zu essen. Der tintenschwarze Kaffee würde ihr sonst die Magenwände ruinieren.
»Wenn Ihnen noch etwas einfällt …« Elena zückte ihre Karte und schob sie zusammen mit einem Euro zu der Frau hinüber. »Rufen Sie mich an. Und Ihr Kaffee, der ist einfach großartig.«
Sie nickte der erstaunten Frau zu, ging in Richtung Parkplatz und ließ auf dem Weg den halbvollen Plastikbecher in einem Mülleimer verschwinden.
Komisch, dachte sie und biss gierig in ihre Banane. Die Koller schien eine Mutter Teresa der weiterführenden Schule zu sein. Engagierte sich für Bildung, Ernährung und Wohlergehen der Schüler, dazu noch pflichtbewusst und tadellos gekleidet.
Trotzdem wurde Elena das Gefühl nicht los, dass niemand sie so richtig leiden mochte.
*
Jan hasste Museen. Irgendwie gelang es den verflixten Dingern immer, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Weil er sie niemals aufsuchte, wenn es nicht unbedingt nötig war.
Es war wirklich komisch: Über die meisten Fragen des Alltags gab es viele unterschiedliche Ansichten. Aber in einem Punkt schienen sich alle einig, nämlich, dass es grundsätzlich besser war, ein Museum zu besuchen, als dies zu unterlassen. Das war die Diktatur des Bildungsbürgertums.
Es musste an den dicken Subventionen liegen, die diese Biester schluckten, überlegte Jan, als er in den lichten Eingang trat. Die meisten Steuerzahler konnten den Schmerz, den ihnen die Ausgaben für Kultur verursachten, nur kompensieren, indem sie der Kultur eine besondere Bedeutung zusprachen. Besonders die Bonner. Denn wie sollten sie sonst die Fahrt entlang der B9 ertragen, vorbei an Gebäuden, für deren Gegenwert man wahrscheinlich jedem einzelnen Bonner Bürger einen Sommerurlaub spendieren könnte – all inclusive?
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine uniformierte Dame, die hoheitsvoll hinter einem Empfangstresen thronte.
Jan zückte seinen Dienstausweis. »Ich würde gerne mit Frau Angelika Gernhart sprechen.«
Die Frau riss ihre kunstvoll geschminkten Augen entgeistert auf und musterte erst ihn, dann seinen Ausweis. »Kleines Sekündchen«, sagte sie und griff
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