Niccolòs Aufstieg
Dauphin und das Bündel mit seiner eingelösten Rüstung holen, um beides zu Giovanni Arnolfini zu bringen. Er mußte zum Burgplatz zurück und sich ein (zweites) Los holen. Er mußte Felix finden, dafür sorgen, daß er nüchtern wurde, und endlich herausfinden, was mit Meester Olivier, dem seltsamen Geschäftsführer in Löwen, nicht stimmte. Und er mußte beginnen, vorsichtig verschiedene Handwerker auszuhorchen, die vielleicht Grundbesitz zu verkaufen hatten.
Das Schlittschuhlaufen hatte ihn hungrig gemacht, aber es hatte ihm gutgetan. Der Vormittag mit seinen Drohungen lag weit zurück. Eine Viertelstunde setzte er sich in eine ihm angenehme Schenke, aß eine Schüssel Kaldaunen und trank ein Bier mit ein paar Leuten, die er kannte, unter ihnen Thomas, der sich freute, ihn zu sehen. Und gestärkt ging er sodann daran, zu erledigen, was er sich vorgenommen hatte.
KAPITEL 18
Die Ankunft der venezianischen Galeeren und die Zeit des Karnevals, diese beiden wunderbarsten Momente im Jahreslauf eines Kindes hatte Katelina van Borselen vermißt, als sie mit einer verbannten Königin in Schottland leben mußte. Und daran hatte sie hier im Haus ihres Vaters in Brügge gedacht, ehe Simon von Kilmirren mit ihr in den Garten gegangen war und versucht hatte, sie zu küssen. Und sie, die selbstbewußte Närrin, hatte ihn abgewiesen.
Das war im September gewesen, zur Zeit der Galeeren. Jetzt war Februar und Karneval, und jetzt würde sich entscheiden, ob sie als Hofdame der verwitweten Herzogin, einer weiteren Schwester des schottischen Königs, in die Bretagne geschickt werden würde oder nicht. Noch so eine glückliche Witwe, die inzwischen über dreißig war. Bei ihrer Verlobung, so hieß es, habe ihr zukünftiger Mann gleichgültig auf alle Warnungen reagiert, daß sie mehr als nur etwas dümmlich sei und seiner Sprache kaum mächtig. Das wäre ihm schon recht, hatte der Edelmann erklärt, solange sie sein Hemd von seinem Wams unterscheiden könne. Was ihr wohl gelungen war, denn er hatte sie zweimal zur Mutter gemacht, ehe er sie zur Witwe machte.
Wenn sie, Katelina, Witwe werden wollte, mußte sie zunächst einmal einen Ehemann finden, und heute abend bot sich eine letzte Gelegenheit. Sagte ihre Mutter, eine energische Frau, wenig geliebt von ihrer Tochter, um deren Zukunft sie sich nun selbst kümmern wollte. Von einer Liste geeigneter Kavaliere waren trotz Katelinas offenem Desinteresses drei ausgewählt worden, und ihre Mutter hatte der Mutter eines jeden höfliche Besuche abgestattet. Selbst jetzt, während Katelina bei ihren Eltern saß und auf den Marktplatz hinunterschaute, wurde sie wahrscheinlich von jungen Männern aus guter Familie gemustert, die untereinander besprachen, wer ihr nach Einbruch der Dunkelheit maskiert und mit einem Pergamentröllchen in der Hand in den Weg treten wollte. Oder aber alle miteinander verabredeten, anderweitige Verpflichtungen vorzuschützen.
Viele der Häuser rund um den Marktplatz wurden an öffentlichen Festtagen von ihren Eigentümern geräumt, damit Personen von Rang an den Fenstern Platz nehmen und bei eigens für sie vorbereiteten Erfrischungen die Sicht auf den Platz genießen konnten. Eine Annehmlichkeit, die gerade an Tagen wie dem heutigen, wenn es geschneit hatte, zu schätzen war. Die Behänge über den Fenstersimsen waren weiß bestäubt, Schnee lag auf den roten Staffelgiebeln der fünf- und sechsstöckigen Häuser, sprenkelte den braunen Backstein und füllte die Nischen der kunstvoll gemeißelten Steine über Fenstern und Türen.
Das Dach der Anlegestelle gegenüber war ein langgestreckter, sanft abfallender weißer Hang, die Figuren des Stadtbrunnens davor trugen weiße Hauben, weiß geschmückt war das Geviert der alten Markthalle, die, vom Belfried überragt, den Platz abschloß.
Von seinem Dach wurden mit einem Sprechtrichter den ganzen Tag über die Ergebnisse der Lotterie verkündet. Der Vogt und der Aktuar sowie beide Bürgermeister standen auf der hölzernen Tribüne vor der Markthalle und natürlich die Kämmerer, einige Schöffen und die Wachtmeister der einzelnen Stadtteile. Sie alle trugen prächtige Hüte und kostbare Gewänder in Blau und Grün, teurem Rot und fast unerschwinglichem Schwarz und drängten sich unter dem mit Laubgirlanden und bunten Fahnen geschmückten Baldachin. Zu beiden Seiten knisterten die Kohlenpfannen, und auf kleinen Tischen standen Zinnkrüge und Schüsseln mit dampfenden Gerichten.
Für die Stadtväter war es nicht
Weitere Kostenlose Bücher