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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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die angenehmste Weise, den Faschingsdienstag zu verbringen. Andererseits konnte die Lotterie, richtig betrieben, der Stadt eine schöne Summe einbringen. Es gab immer großzügige Spender, vor allem am Vorabend der Prüfung der Maße und Gewichte.
    Gerade hielten zwei städtische Gemeindediener vorsichtig einen Käfig mit einem Stachelschwein in die Höhe. Das Gedränge auf dem Platz und in den umliegenden Straßen war so groß, daß die Schaulustigen sich kaum rühren konnten. Begeistert schrien sie und drängelten vor und zurück, so daß ihre Kappen und Mützen wie ein Kleefeld im Wind wogten. Hochgehobene Kinder winkten, die einzigen, denen das noch möglich war.
    Eine Waschfrau, ein Ziegelbrenner oder ein Schiffsjunge von den Fischerbooten konnte natürlich ein Stachelschwein ebensowenig brauchen wie ein Paar Handschuhe, einen Weinpokal, eine Trommel oder einen Falken. In solchen Fällen wurden die hübschen Gewinne in wenigen Minuten zu Geld gemacht. Katelina sah den Verwalter ihres Vaters geduldig unter den elegant gekleideten Leuten stehen und abwarten, wer das gute spanische Pferd gewonnen hatte. Andere hatten es, wie Katelina wußte, eher auf das vom Herzog gestiftete Evangeliar abgesehen oder auf den Jagdhund oder das Heiligenbild. Manchmal fiel ein solcher Gewinn auf ein wohlhabendes Zunftmitglied - einen Schuhmacher, Fleischer, Schneider oder Zimmermann -, das ihn behielt, oder auch auf einen Adligen aus Brügge oder von außerhalb, denn für die Lotterie wurde überall geworben. Bei den meisten Gewinnen handelte es sich jedoch um Geldbeträge, und die Bekanntgabe jeder neuen Losnummer wurde freudig bejubelt.
    Das Stachelschwein erregte bei zwei Gruppen besonderes Aufsehen, bemerkte sie: einmal unter den Gefängniswärtern vom Steen, die es offenbar gewonnen hatten, und dann bei einer Gruppe von Leuten, die alle in das Blau des Hauses Charetty gekleidet waren. Die weiblichen Untergebenen hatten neue Umhängetücher, und die Arbeiter trugen frische Kappen zu ihren mit Borte eingefaßten Jacken. Ihre Dienstherrin, klein, rundlich und höflich, wie Katelina bei ihrer Begegnung festgestellt hatte, stand in dem Ruf, eine kluge Geschäftsfrau zu sein, streng gegen ihre Angestellten und ohne Scheu, es mit einem Mann aufzunehmen und ihre Meinung zu sagen. Und offenbar wußte sie auch, worauf gute Betriebsführung außerdem beruhte: gelegentlich nachzugeben und großzügig zu sein.
    Die Demoiselle selbst war natürlich nicht auf dem Marktplatz, aber Katelina sah ihren Sohn Felix, der ein pompös gefälteltes und von oben bis unten mit schwarzweißem Pelz besetztes Gewand sowie eine schräg sitzende Pelzkappe trug, die offensichtlich von herabhängenden Hermelinschwänzen nach einer Seite gezogen wurde. Er brüllte vor Lachen und hielt sich an den Armen zweier Freunde fest, von denen der eine, pflichtgemäß in Blau, der Lehrling Claes war. Der, der nach Italien in den Kampf gezogen und dann unerklärlicherweise zurückgekommen war. Der, mit dem sich Gelis gestern beim Schlittschuhlaufen so gut amüsiert hatte.
    Sogar von hier sah sie den dicken roten Schnitt in seinem Gesicht, obwohl die Schwellung heute schon geringer war. Er hatte unhöflich reagiert, als sie sich danach erkundigte. Ihre Frage war natürlich nicht so formuliert gewesen wie einem Standesgenossen gegenüber, aber er besaß kein Recht, ihr das übelzunehmen. Schließlich hatte sie ihn an jenem Abend im letzten Herbst extra im Haus der Witwe aufgesucht, weil sie glaubte, er sei von Simon mißhandelt worden. Wenigstens diesmal konnte Simon an seiner Verletzung nicht schuld sein. Simon war in Schottland.
    Felix johlte erneut und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Claes hatte etwas gewonnen. Eine Rüstung. Nein, er bekam eher eine Art symbolische Gabe; einen einzelnen Panzerhandschuh, überreicht von einem Mann mit der gelben Kappe der Rekonvaleszenten des St. Janshospitals, das den Handschuh wohl gespendet hatte. Als Claes auf dem Podium stand, Fragen beantwortete und lächelnd seine Mütze in Händen hielt, sah er aus wie der Soldat, der er nicht war. Zweifellos kam der Jubel vielfach aus weiblichen Kehlen. Er schien sich dessen bewußt zu sein, drehte sich aber nicht herum und winkte auch nicht.
    Eigentlich, dachte Katelina van Borselen, nahm eins der angebotenen Bonbons und reichte es an ihre gefräßige kleine Schwester weiter - eigentlich war dieser junge Frauenheld ziemlich klug, was man bei einem Diener nicht unbedingt erwartete. Verstand

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