Niccolòs Aufstieg
um der Lust willen. Aber das hier! Nach dem, was du getan hast, wird man Mabelie, ganz gleich, ob sie kommt oder nicht, zu den bezahlten Huren rechnen.«
Es blieb still. Claes lauschte schwer atmend einer eigenen Stimme und fand, daß er sich wie ein echter Narr verhielt. Er hatte Felix keinen Ausweg, keine Möglichkeit zum Kompromiß, zur Wahrung des Gesichts gelassen. Er wußte sehr genau, auch wenn Felix es nicht wußte, was ihn dazu getrieben hatte.
»Na schön«, sagte Felix. »Dann kauf sie mir ab. Und nicht mit einem Wechselbrief auf die Medici-Bank. Mit barem Geld. Spätestens heute abend.«
Wieder trat Stille ein. »Wie du meinst«, erwiderte Claes schließlich leise. »Du wirst verstehen, daß ich unter diesen Umständen etwas in Eile bin. Es gibt noch einiges zu erledigen.«
Er ließ die Zügel von Felix’ Pferd fallen und lenkte sein eigenes zur Straße. Dort trieb er es zum Trab an und dann zu einem leichten Galopp. Als er an den Bäumen vorüberkam, sah er dort die Pferdeburschen stehen, die erst ihn anstarrten und dann die Köpfe nach Felix drehten. Aber wie erwartet, folgte Felix nicht.
Es war noch Tag, als Claes, dem Rest seiner Reisegesellschaft um einige Stunden voraus, durch das Genter Tor in Brügge einritt. Sein Plan war gewesen - und war immer noch -, daß zuerst Felix seiner Mutter von Löwen berichten sollte. Er war daher froh, daß Marian de Charetty und ihre beiden Töchter nicht zu Haus waren, als er eintraf. Henning allerdings fiel über ihn her, sobald er sein Pferd zum Stall führte.
Der Wortschwall versiegte während des ganzen Wegs über den Hof nicht. Die Pumpe habe schon wieder versagt. Eine der Küpen habe ein Leck. Drei der Männer in der Werkstatt hätten Streit, und die anderen schimpften ständig. Der Mann, der der Demoiselle neulich dieses Grundstück verkauft hatte, wolle es zurückhaben und behaupte, er könne beweisen, daß der Verkauf ungültig sei. Ein ganzer Sack Waid sei schimmelig geworden. Die Demoiselle habe einen neuen Rechtskonsulenten genommen. Die Florentiner und die Luccheser und sogar der Sekretär des päpstlichen Gesandten hätten die Demoiselle aufgesucht und mit ihr vereinbart, daß der Charetty-Kurier - also Claes - möglichst bald nach Italien aufbrechen solle, weil ihre Kuriertaschen sich langsam füllten. Außerdem warte ein dicker Brief aus Mailand auf ihn mit dem Siegel des kahlköpfigen Doktors. Und Anselm Adorne wünsche ihn ohne Rücksicht auf die Stunde unverzüglich zu sprechen.
»Na, das ist ein Empfang!« Claes sah Henning an, daß der glaubte, er wollte sich beschweren. Aber so war es nicht. Er freute sich darauf, alles zu ordnen und zu regeln. Eilig gab er sein Pferd ab und rannte durchs Haus, wobei er unterwegs gleich den Brief von Tobias mitnahm.
Er las ihn beim Ausziehen und hielt mittendrin inne, um ihn noch einmal zu lesen. Der Ausdruck seines Gesichts hätte Henning wütend auffahren lassen. Dann band er sich ein Tuch um die Hüften und lief in den Hof, um die Pumpe wieder in Gang zu bringen. Während er damit beschäftigt war, kamen vier Männer und beschwerten sich bei ihm, bis sie von einem ordentlich aussehenden jungen Mann mit scharf gebogener Nase und in einem wadenlangen schwarzen Talar zur Arbeit zurückgerufen wurden.
Der junge Mann fragte, ob er Claes sei, und Claes richtete sich auf, wischte sich die Hände an seinem Schurz und nickte. Er hatte der Demoiselle geraten, jemanden einzustellen, der Julius ersetzen konnte, wenn er mit der Söldnertruppe unterwegs war. Drei Anwärter hatten sich beworben, alle mit gutem Leumund. Und nun hatte sich die Demoiselle also entschieden. Hoffentlich für den richtigen.
»Ich bin Gregorio«, sagte der Mann mit den scharfen Zügen, der aussah wie Ende Zwanzig. »Ich habe schon nach jemandem geschickt, der sich um die Pumpe kümmern soll. Am besten kommst du gleich in mein Schreibzimmer und gibst mir deinen Bericht über Löwen. Die Demoiselle de Charetty wird bald zurück sein. Sie möchte ihn so schnell wie möglich hören.«
Ja, es war der richtige. Sohn eines Lombarden, der mit dem verstorbenen Vater der Demoiselle befreundet gewesen war. Rechtsstudium in Padua. Einige Jahre als Schreiber beim Senat von Venedig. Station in Asti, seinem Zuhause, dann zurück nach Flandern, wo sein Vater Pfandleiher in Furnes gewesen war. Daran gewöhnt, nur mit Höhergestellten zu verhandeln.
»Sofort, Gregorio«, sagte Claes. »Jongeheer Felix möchte beim Bericht gern dabei sein. Er wird in
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