Niccolòs Aufstieg
er gerade und unbefangen da, ein Mann, der auf eine Erklärung wartete, auf die er Anspruch hatte. Er kannte den Grund, aber er wollte ihn von ihr hören. Und sie sagte: »Weil du sonst nicht gekommen wärst.«
»Und ist es nun leichter, da ich hier bin?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und was soll jetzt geschehen? Ich bin Euch natürlich zu Diensten. Auf jede Weise, nur nicht auf diese.«
Sie suchte nach einer Verteidigung. »Ich habe von Heirat gesprochen.«
»Ernstlich? Nein, Demoiselle. Nur um herauszufinden, wie Ihr eingeschätzt werdet in diesem für Euch neuen Bereich. Ihr seid unvergleichlich. Das habe ich Euch gesagt. Ich habe nicht den Wunsch zu heiraten. Auch das habe ich Euch gesagt. Und eine Ehe mit mir wäre das letzte, was Ihr wollt.« Er unterbrach den Redeschwall. Seine nicht gerade geduldige Miene zeigte einen Anflug amüsierter Verzweiflung. Er seufzte. »Katelina, was Ihr wollt, ist das, was Ihr gerade bekommen habt, und jeder Ehemann wird es Euch geben.«
Sie lag auf dem Bett ausgestreckt, und der Schmerz überwältigte sie. »Willst du es nie wieder von mir, obwohl ich doch unvergleichlich bin?«
»Natürlich will ich es. Natürlich will ich Euch. Aber nicht noch einmal. Nie mehr. Wir benutzen uns gegenseitig. Begreift Ihr das denn nicht?«
»Doch, ich begreife es. Und du hast recht. Und wir werden nie wieder allein zusammen sein. Aber jetzt sind wir hier, zum letzten Mal, und wir können unser Verlangen stillen. Bitte komm. Bitte komm her. Bitte komm zurück.«
Er kann mich doch nicht abweisen, dachte sie, und ebensowenig kann er bestreiten, daß er mich in diesem Augenblick begehrt.
Plötzlich beugte er sich vor und löschte die Kerze, die es verriet. Und dann, als gäbe es kein Verlangen, zog er sich im Dunkeln an, ging zur Tür und sagte nur: »Adieu. Adieu, Demoiselle.«
KAPITEL 25
Am folgenden Tag verlor Claes zum ersten Mal in seinem Leben im Beisein anderer die Fassung. Auf dem Ritt von Gent nach Brügge wollte er Felix gründlich auf den Bericht für seine Mutter vorbereiten und rief ihm noch einmal ins Gedächtnis, warum er den Geschäftsführer in Löwen entlassen hatte und was für Veränderungen der neue Mann mit seiner - Felix’ - Hilfe vornehmen würde. Müde von der ausschweifenden Nacht reagierte Felix gereizt; etwas, womit Claes im allgemeinen leicht fertig wurde.
Diesmal jedoch konnte er ihn nicht umgarnen, vielleicht weil er selbst nicht in Stimmung war, sich lustige Sprüche auszudenken. Felix wurde plötzlich patzig, er wisse genau, was seine Mutter hören wolle, er habe das Thema satt und Claes gehe das sowieso nichts an. Aus langer Erfahrung klug, ließ Claes die Sache auf sich beruhen und konzentrierte sich lieber darauf, Felix und sich selbst aufzuheitern. Sie waren kurz vor Brügge, als Felix, der seine gute Laune wiedergefunden hatte, Mabelie erwähnte.
Claes war es gewohnt, mit seinen Eroberungen aufgezogen zu werden. Er nahm es mit stoischer Ruhe hin. Wie er über dieses oder jenes Mädchen wirklich dachte, ging niemanden etwas an. In den drei Monaten seiner Abwesenheit waren seine Abenteuer, wenn er welche gehabt hatte, ohnehin allein seine Sache gewesen; und seit seiner Rückkehr hatte er zu viel zu tun gehabt, um sich persönlichen Dingen zu widmen. Außer solchen, die es unbedingt erforderten. Doch gleich am ersten Tag nach seiner Heimkehr hatte Felix ihm erzählt, daß John Bonkle Mabelie erobert hatte. Da John ein netter Kerl war, hatte Claes sich damit abgefunden, sich sogar noch bemüht, zwischen sich und John keine Mißstimmung aufkommen zu lassen, und Mabelie klargemacht, daß er nicht die Absicht besaß, irgendwelche Rechte auf sie geltend zu machen.
Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, mit Felix über Mabelie zu sprechen, schon gar nicht irgendwo auf der Straße zwischen Gent und Brügge. Tatsächlich führte das Gespräch zunächst auch zu einem weit gefährlicheren Thema. »Ich sehe nicht ein«, sagte Felix, »warum ich nicht endlich mit meiner Rüstung herausrücken kann. Du weißt sowieso Bescheid. Du kannst sagen, daß die Leute des Dauphin sie mir geliehen haben. Du kannst sie mir reinigen, und ich stelle sie dann in der Waffenschau beim Turnier des Weißen Bären aus.«
»Du hast dich also angemeldet?«
»Bevor wir losgeritten sind. Es sind ja nur noch zwei Wochen. Ich werde jeden Tag üben. Es ist das größte Turnier in Flandern. In Frankreich. In ganz Europa eigentlich. Und alle kommen. Ghistelle. Gruuthuse. Vielleicht sogar
Weitere Kostenlose Bücher