Niccolòs Aufstieg
nach Brügge aufzubrechen. Zur Sicherheit habe ich noch ein paar zusätzliche Leute gedungen, aber die Bankwechsel sind ja ohnehin alle kopiert. Sag, würde es dir etwas ausmachen, allein zurückzureiten?«
Mit dem Hemd in der Hand stand Felix da und sah ihn zornig an.
»Das ganze Geld hast du«, fügte Nicholas hinzu.
Er hatte Genf ganz vergessen. Er hatte sein Mißtrauen vergessen. »Und wohin willst du?« fragte er.
»Ich finde, jemand sollte Tobias aufsuchen und ihm danken. Er hat das alles in die Wege geleitet. Ich dachte eigentlich, ich würde ihn hier finden. Wir verdanken ihm eine Menge, und ich wollte mich vergewissern, daß es ihm gutgeht.«
»Tobias?« rief Felix. »Der ist doch drüben auf der anderen Seite des Landes, beim Grafen von Urbino und Lionetto.«
»Das wird nur vermutet«, entgegnete Nicholas.
»Und was ist mit meiner Mutter?«
»Du bist doch da. Außerdem hat sie tüchtige Helfer. Und das Geld wird jetzt alle Schwierigkeiten beseitigen.«
»Mich braucht sie gar nicht«, sagte Felix. »Nur das Geld.«
»Was glaubst du wohl, was sie wählen würde?«
»Kommst du überhaupt nach Brügge zurück?«
Nicholas lachte. »Ich muß zurückkommen. Sonst gibst du das ganze Vermögen für Waffen und Harnische aus. Natürlich komme ich zurück. Schon, weil ich kein Geld habe.«
Schweigen. Felix zerknitterte das Hemd in seiner Hand. »Warum hast du meine Mutter geheiratet?«
Der weitäugige Blick hielt dem seinen stand. Er konnte keine Berechnung in ihm erkennen. »Ich fand es richtig«, antwortete Nicholas nach einer kleinen Weile.
Felix senkte den Blick. »Ich verstehe.« Dann fügte er hinzu: »Ich denke, sie möchte uns beide gern zurückhaben. Aber sie hat Hilfe. Wir könnten das Geld von jemand anderem überbringen lassen.«
»Das ist wahr«, stimmte Nicholas zu. »Aber warum? Möchtest du in Mailand bleiben?« Er setzte sich mit gekreuzten Beinen nieder, sammelte die auf dem Boden herumliegenden Papiere ein und begann, sie zu sortieren. Er sagte nicht: Willst du mit mir kommen? Ein unbestimmter Wunsch, erst kürzlich erwacht, wurde unerwartet zur festen Absicht. »Ich möchte nach Neapel«, sagte Felix. »Zu Astorre und Julius. Ich möchte kämpfen.«
Nicholas schob die Papiere zusammen und sah in die Höhe. »Na schön, warum nicht? Die Erfahrung würde dir sicher gut tun.«
Felix legte sein Hemd beiseite. »Du findest, ich sollte es tun?«
Nicholas hielt den Packen Papier aufrecht. »Wenn du willst. Für deine Mutter ist es hart. Aber sie kennt so etwas von dir. Hauptsache, du beruhigst dein Gewissen nicht mit dem Argument, daß sie ja mich hat. Ich bin kein Ersatz, wenn du fällst.«
Felix runzelte die Stirn. Nicholas wandte sich wieder seinen Papieren zu.
»Ich falle nicht«, erklärte Felix, »Jetzt, da wir so viel Geld haben! Glaubst du vielleicht, ich laß dich das allein ausgeben? Aber -«
Mehr erklärte er nicht. Nicholas verstand offenbar. »Du weißt ja selbst, daß man Julius hin und wieder an die Kandare nehmen muß. Vermutlich wäre es gar nicht schlecht. Ich werde wahrscheinlich vor dir wieder in Brügge sein. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mir einen hübschen Turnierharnisch besorge?«
Mit einem Blick, der etwas Eulenhaftes hatte, neigte Nicholas den Kopf. Felix lachte. Er ging um das Bett herum, setzte sich darauf nieder und schaute zu Nicholas und seinen Papieren hinunter. »Du willst mich bloß loswerden. Du weißt nicht, was heute in der herzoglichen Kanzlei los war.«
»Nein«, bestätigte Nicholas »Cicco Simonetta hat mich zu sich rufen lassen und gefragt, ob ich ein Geschenk des Herzogs für die Demoiselle de Charetty mit nach Hause nehmen würde. Er hat Geld angeboten.«
Jetzt hatte er Nicholas’ ungeteilte Aufmerksamkeit. »Und du hast ihm erklärt, wir wollten mit Geld nichts mehr zu tun haben?«
»Ich habe ihm erklärt«, versetzte Felix, »daß ich ihn lieber um einen großen Gefallen bitten würde. Nämlich die Rückgabe des singenden Sklaven aus Guinea, dessen Dienste meine Mutter so schmerzlich vermisse.«
Das Gesicht mit der langen Narbe auf der Wange veränderte sich ein wenig. »Loppe?« fragte Nicholas. »Ich wußte gar nicht, daß ihr euch getroffen habt.«
»Aus irgendeinem Grund war er froh, uns zu treffen. Jetzt, da Bruder Gilles weg ist, gefällt es ihm in Mailand nicht mehr. Er hat Angst, daß man ihn zu Cosimo nach Florenz schickt. Ich denke«, fügte Felix träumerisch hinzu, »ein richtig herausgeputzter Mohr macht in
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