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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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welche?«
    »Zwanzigtausend. Und einen Haufen Maultiere dazu. Ochsen. Schafe. Dir sind sicher die Felder aufgefallen, nachdem du den Tronto überquert hattest. Das Getreide sauber geschnitten und gedroschen. Gute Bauern, diese Urbinaten.«
    Die Zeltklappe öffnete sich. Tobias kleidete sich weiter an, während ein Tisch aufgestellt und mit Tellern, Bechern und einem Weinkrug gedeckt wurde. Jemand schleppte ein zweites Bett herein und stellte es auf.
    Nicholas ging zum Tisch und setzte sich. »Was haben sie mit dem Getreide getan?«
    »Sie haben es auf den Markt gebracht. Und für teures Geld an die notleidenden Bauern und ihre notleidenden Herren verkauft. Und das deckt nur ihre Unterhaltskosten. Du solltest sehen, was die Truppenführer an Schätzen zusammengerafft haben. Du hast mich noch gar nicht gefragt, ob ich in Lionettos Zug bin.«
    Erst jetzt, da Nicholas zu essen begonnen hatte, bemerkte er, wie hungrig er war. »Das brauche ich nicht. Ihr seid nüchtern. Warum seid Ihr in den Abruzzen geblieben?«
    »Graf Federigo hatte mich darum gebeten. Der condottiere.«
    »Und?« fragte Nicolas.
    »Er ist kein condottiere im üblichen Sinn. Du hast wahrscheinlich schon von ihm gehört. Er ist der Herrscher von Urbino, und Urbino ist kein Paradies. Sein einziger Reichtum sind seine Söldner. Und die sind wirklich gut.«
    Nicholas betrachtete Tobias’ Gesicht, das halb von einem gebratenen Huhn verdeckt war. »Ihr schuldet niemandem etwas.«
    »Das habe ich auch geglaubt«, versetzte Tobias scharf und riß das Huhn in Stücke.
    Die Mahlzeit war lange vorbei, und sie lagen schlafend in der Dunkelheit, als sie gestört wurden. Lionetto riß die Verschnürungen am Zelteingang auf und trat gegen die Betten, erst gegen das eine, dann gegen das andere. Im Schein der Laterne, die in seiner Hand hin und her schwang, erkannte Nicholas, als er sich herumdrehte und blinzelnd aufsah, als erstes das karottenrote Haar, das struppig auf die Schultern herabfiel, die Knollennase, die narbige Haut.
    Selten zeigte Lionetto, so wie jetzt, beim Lächeln seine keilförmigen Zähne. »Griechisch also treibt Ihr’s! Das ist doch der Kerl, den ich ins Wasser geschmissen habe. Sauberer ist er davon nicht geworden.«
    Nicholas erwiderte den Blick und lag ganz still. Er war schweißnaß.
    Tobias fuhr in die Höhe. Im Licht sah einer seiner Nasenflügel aus wie zornig gebläht. »Vielleicht hat ja Graf Federigo ihn holen lassen.«
    »Das hör ich gar nicht gern«, versetzte Lionetto. »Urbino ist also auch nicht sauber. Ist das da Wein? Ihr habt nichts dagegen? Die Neuigkeiten haben mich durstig gemacht. Oh! Wie dumm! Ich habe ihn verschüttet.«
    Der Wein rann über den Boden, über das zerknitterte Laken auf dem Bett und sammelte sich in Nicholas’ Halsmulde. Den Becher immer noch schräg geneigt in der Hand, schaute Lionetto spöttisch zu Nicholas hinunter, der dem Blick standhielt, ohne etwas zu sagen. »So siehst du schon besser aus. Wie ein echter Tropf.«
    Tobias war aufgesprungen. »Und er ist langmütiger als ich«, sagte er drohend. »Ihr seid betrunken. Das melde ich.«
    »Betrunken?« Lionetto kehrte zum Tisch zurück, nahm sich einen Hocker und setzte sich, um seinen Becher aufzufüllen. »Morgen ist das ganz Lager betrunken, hochverehrter Doktor. Wir wollen doch alle unseren Kummer ertränken und unsere armseligen kleinen Ängste verstecken. Was wird die hochmütige Witwe jetzt tun? Die Pfandleiherstochter, die sich eingebildet hat, sie wäre ein Mann. Aber du hast ihr ja gezeigt, daß sie das nicht ist, wie, du Tropf? Hast sie geheiratet. Aber dann nicht in dein Bett geholt. Dazu bist du nicht Manns genug. Hast es bloß aufs Geschäft abgesehen. Nur, was für ein Geschäft? Haus und Hof sind abgebrannt und ihre Soldaten alle mausetot. Die arme Alte.«
    Nicholas setzte sich auf. »Nachrichten aus Neapel?«
    Tobias, der Lionetto wie gebannt anstarrte, schoß plötzlich vor und schlug dem anderen den Weinbecher aus der Hand. »Ist das richtig? Nachrichten aus Neapel?«
    Lionetto brüllte. Nicholas griff ein. Er hob den Becher vom Boden auf, füllte ihn neu und stellte ihn hart vor dem Hauptmann nieder. Dann sprang er auf und hielt Tobias am Ellbogen zurück. »Heraus damit.« Wein rann ihm über die Haut. Er fröstelte.
    »Wenn Ihr rausgeht«, sagte Lionetto, »hört Ihr gleich Piccininos Leute jubeln. Gerade kommen die ersten Überlebenden zurück. Neapel ist verloren. Ferrante tot. Das Heer aufgerieben. Und wollt Ihr wissen, warum?

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