Niccolòs Aufstieg
flogen zur Treppe. Feierlich in ihren langen Roben kamen da die Magistrate herabgestiegen, unter ihnen Anselm Adorne, um ihrer Gewohnheit gemäß in der Gaststube einen Imbiß einzunehmen.
Nachdem sie Platz genommen hatten, setzte das allgemeine Gespräch wieder ein, versiegte aber kurz danach von neuem, als die Tür zur Schenke sich öffnete und der Grieche mit dem Holzbein eintrat. Der Mann, der Geld für den Freikauf seines Bruders sammelte.
Nicholai de’ Acciajuoli schaute sich um, lächelte Adorne zu, der ihm winkte, und ging zielstrebig durch den Raum zu der Bank, wo Julius mit den anderen jungen Leuten beisammensaß. Den Blick auf Felix gerichtet, blieb er stehen.
Lionetto hatte Felix erstaunlicherweise nicht aufgebracht. Er war überhaupt recht kleinlaut heute. Nein, das war zu freundlich ausgedrückt. Felix war wortkarg und muffig. Julius gegenüber jedenfalls. Seinen Freunden zeigte er ein anderes Gesicht. Julius, der vorhin eine Stunde lang die Magistrate mit fadenscheinigen Erklärungen zu beschwichtigen suchte, hatte beim Herunterkommen sehr wohl das Prusten unterdrückten Gelächters wahrgenommen. Wäre man nicht gerade der offizielle Vertreter des Handelshauses, könnten einem die Eskapaden der vergangenen Nacht ohne Zweifel umwerfend komisch erscheinen.
Felix blickte dem Griechen mit einer Miene entgegen, die halb feindselig, halb erwartungsvoll war. Der Mann war ein Gast Anselm Adornes. Er würde streng sein und Felix schnippisch. Julius konnte es kommen sehen.
»Messer Felix«, sagte der Grieche, »ich überbringe Euch eine Botschaft Eures Freundes Claes, der im Steen eingesperrt ist.«
Er sprach ein sehr klares Griechisch. Julius, ehemaliger Schüler Bessarions, verstand ihn und sprang auf, bevor Felix etwas erwidern konnte, »Monsignore«, rief er. »Ich dachte, er sei auf freiem Fuß.«
Der Grieche seufzte. »Mittlerweile vielleicht, ja. Er hat heute am frühen Morgen mit mir gesprochen. Ich hätte die Botschaft gleich überbringen sollen, aber ich bin über meinen Geschäften nicht dazu gekommen. Ist es zu spät?«
Erst jetzt stand auch Felix auf. »Zu spät wofür?«
»Felix«, sagte Julius kurz und wandte sich de’ Acciajuoli zu. »Verzeiht. Bitte sagt uns, was Claes Euch aufgetragen hat. Es war sehr großmütig von Euch, die Mühe auf Euch zu nehmen.«
»Es war keine Mühe«, erwiderte der Grieche freundlich. »Und die Botschaft ist kurz. Sie besagt, daß Ihr, Messer Felix, irgend etwas nicht tun sollt.«
»Was?« rief Julius.
»Was?« fragte Felix in ganz anderem Ton.
Der Grieche lächelte. »Das war alles. Er sagte, Ihr würdet wissen, was er meint. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt.« Und mit einem neuerlichen Lächeln machte er bedächtig kehrt, um den Weg zu dem Tisch einzuschlagen, an dem Anselm Adorne und die Magistrate saßen.
Felix blieb stehen.
»Felix?« fragte Julius.
Der junge Bonkle zupfte Felix am Kittel, und Felix setzte sich.
»Felix?« fragte Julius noch einmal schärfer.
»Ich hab’s dir ja gesagt«, zischte Anselm Sersanders unterdrückt.
»Schon gut«, sagte Felix ärgerlich.
»Ich habe dir gesagt, daß Claes schon tief genug in der Patsche sitzt«, ergänzte Sersanders.
Julius starrte ihn an, dann Felix und dann John Bonkle, der ihm nicht in die Augen sehen konnte. »O Gott!« rief er. »Was hat er jetzt wieder angestellt?«
Da war es schon soweit, daß andere ihm die Frage hätten beantworten können.
Im hübschen kleinen Garten der van Borselens, wo die Familie plaudernd an der frischen Luft saß, schien vom bisher sanft plätschernden Springbrunnen plötzlich der Satan Besitz zu ergreifen. Jäh zischend schoß die Fontäne in die Höhe und goß im Herabfallen Wasserströme über Florens van Borselens Kopf und die Satinröcke seiner Töchter aus.
Im Hof der Jerusalemkirche lief der Brunnen über. Von seinem Wasser überschwemmt, breiteten sich die Haufen frisch gemischten Mörtels in einer breiigen weißen Masse über das gestapelte Bauholz und die Füße der Maurer und Zimmerleute aus, die dabei waren, letzte Hand an Anselm Adornes prächtige Kirche zu legen.
Auf dem Eiermarkt sprengte es eine Wasserpumpe, und eine Ziege erschrak darüber so sehr, daß sie sich von ihrem Strick losriß und drei Verkaufsstände niedertrampelte, ehe sie eingefangen werden konnte.
Das Wasserrohr unter der Wijngaardstraat platzte unter ungewöhnlich hohem Druck, und das herausströmende Wasser flutete in zwei Keller und das Badehaus, wo es das Feuer
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