Niceville
hinten.«
»Ja«, sagte Nick, musterte den Camry und zog sein Handy hervor,
»passiert mir andauernd.«
Nicks Handy läutete in dem Augenblick, in dem er es einschaltete. Er
stieg auf der Beifahrerseite ein – ein bisschen Ibuprofen hatten den Schmerz in
Beaus Hintern so weit gedämpft, dass er fahren konnte.
Nick nahm das Gespräch an.
»Lacy?«
»Nick, ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen.«
Ihre Stimme klang angespannt und dringlich, aber anders als sonst,
wenn sie ein Problem hatte.
»Das sehe ich. Viermal in der letzten Stunde. Ist alles okay?«
»Ja. Nein. Na ja, vielleicht.«
»Damit wären so ziemlich alle Möglichkeiten abgedeckt.«
»Rainey Teague ist aufgewacht.«
Die Worte jagten sich in seinem Kopf wie die Tiger den kleinen
schwarzen Jungen in dem Buch, das man jetzt nicht mehr lesen durfte. Aus
irgendeinem verrückten Grund fiel es ihm gerade jetzt wieder ein. Kleiner
schwarzer Sambo . Seine Mutter hatte es als Beispiel für das
bezeichnet, was sie »endemischen Rassismus« nannte. Auf irgendeiner halb
bewussten Ebene war Nick klar, dass er gerade jetzt an dieses blöde Buch
dachte, weil das, was Lacy gesagt hatte, seine Welt heftig erschütterte.
»Wie wach ist er?«, fragte er, als er die Sprache wiedergefunden
hatte.
»Sie sagen, dass er reagiert. Er spricht. Er hat ein Jahr lang nur
gelegen, darum kann er sich nicht aufsetzen oder kontrollierte Bewegungen
machen. Aber er ist eindeutig nicht mehr im Koma.«
Nick wandte sich an Beau.
»Zum Lady Grace, Beau. Sofort.«
»Was ist los?«
Nick sagte es ihm.
Beau wendete, untermalt von einem Hupkonzert. Er beschleunigte mit
eingeschalteter Sirene auf dem Long Reach Boulevard. Auf beiden Seiten der
Straße wichen die Wagen nach rechts aus, um ihnen Platz zu machen. Nick hörte
Lacy zu, die ihm die ganze Geschichte erzählte, und registrierte nur halb, dass
Byron Deitz in seinem riesigen gelben Humvee langsam in Richtung Norden fuhr
und sie mit großen Augen anstarrte, als sie in südlicher Richtung an ihm
vorbeirasten.
Lacy schilderte gerade, wie Lemon am Fahrstuhl diesem Mann begegnet
war.
»Wie meint er das? Er sah aus wie ein Gespenst?«
»Nein«, sagte Lacy, die sich nicht sicher war, was Lemon eigentlich
gemeint hatte. »Aber es war ein Typ mit einer richtig bösen Ausstrahlung. Lemon
hat gesagt, er hätte was Verrücktes, Unheimliches verströmt. Ich weiß nicht.
Was auch immer es war – es hat Lemon eine Heidenangst eingejagt, und das ist an
sich ziemlich schwer.«
»Kann er ihn beschreiben?«
»Ja. Er wird dir die Beschreibung geben, wenn du da bist. Er wartet
in der Eingangshalle auf dich.«
»Hast du seine Handynummer?«
Lacy gab sie ihm.
»Was hatte Lemon eigentlich im Krankenhaus zu suchen?«
»Nachdem er mit dir gesprochen hatte, wollte er den Jungen sehen. Um
den Raum auszuräuchern, sagt er.«
»Was? Du meinst, gegen Ungeziefer?«
»Nein, du Dummkopf. Das ist so eine Indianersache. Das machen alle
Indianer. Er wollte ein bestimmtes Gras in einer Schale verbrennen und den
Namen des Jungen rufen.«
»Wie es aussieht, hatte der andere Typ eine bessere Methode. Wie ist
noch mal der Name, den Rainey immer wieder sagt?«
»Er hat nach einem Mann namens Abel Teague gefragt.«
» Abel
Teague ? Bist du sicher?«
»Ja. Und er hat auch was von einer Frau namens Glynis Ro… Glynis Ruelle
gesagt. Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat«, sagte Lacy, »aber du
solltest versuchen, es rauszufinden.«
»Mach ich«, sagte Nick. »Danke, Lacy.«
»Halt mich auf dem Laufenden, ja?«
»Wenn ich was rausfinde, sag ich’s dir. Bis dann.«
Er beendete das Gespräch und drückte eine Schnellwahltaste. Nach
sechs Ruftönen schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
»Kate, wenn du das hier gehört hast, ruf mich bitte auf dem Handy
an. Sitzt du gerade? Halt dich fest: Rainey ist aufgewacht! Ja. Aufgewacht. Er
reagiert, was immer das heißt. Allerdings hat er noch einen weiten Weg vor
sich. Trotzdem – gute Nachrichten. Ich wollte, dass du die Erste bist, die es
erfährt. Bis dann, Baby. Ruf mich an.«
»Nicht zu Hause?«, fragte Beau.
»Wahrscheinlich im Garten«, sagte Nick und drückte eine andere
Schnellwahltaste. Tig Sutter meldete sich nach dem zweiten Ton.
»Nick. Hast du’s schon gehört?«
»Ja, hab ich. Wir sind unterwegs zum Lady Grace. Ist der Fall noch
immer bei uns?«
»Aber ja. Und er ist immer noch offen. Ich hab schon mit den Ärzten
gesprochen. Was er sagt, ist zusammenhangslos,
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