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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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namens Twyla
Littlebasket, die auf dem Ledersofa im Wohnzimmer liege und die Kissen auf eine
Art und Weise vollheule, dass er sich ernsthafte Sorgen um sie mache – wobei er
mit »sie« die Kissen meinte.
    »Bei mir oder bei dir?«, fragte Danziger, als Cokers kleine
Geschichte ihr natürliches Ende gefunden hatte.
    »Bei mir«, sagte Coker. »Wie du dich vielleicht erinnerst, sind die
Einnahmen hier.«
    »Scheiße. Oh, Scheiße. Hat Twyla sie gesehen?«
    »Na klar.«
    »Wie, verdammt noch mal?«
    »Sie hat einen Schlüssel. War hier, als ich heimgekommen bin.«
    »Und du hast es auf der verdammten Küchentheke liegen lassen?«
    »Du bist nach mir gegangen, Charlie.«
    »Scheiße. Daran hab ich nicht gedacht.«
    »Du lässt nach.«
    »Ist das der Grund, warum Twyla heult?«
    »Nein. Sie hat Wichtigeres an der Backe als das Zeug auf meiner
Küchentheke.«
    »Und das wäre?«
    »Das glaubst du erst, wenn du es siehst. Hast du schon was von Deitz
gehört?«
    »Stundenlang. Hab ich nicht gesagt, dass ich ihn den ganzen
Nachmittag am Nasenring durch die Gegend führen werde?«
    Danziger hatte sich bereits erhoben und sah sich nach seiner
Pistole, der Jacke und den Stiefeln um. Er zog das Prepaid-Handy aus der Tasche
und sah auf das Display. Er hatte eine SMS mit vielen Schreibfehlern, als hätte der Mann, der sie geschrieben hatte, sehr
dicke Daumen.
     
    Ok wie viel wan & wo. muss heute noch sein.
    kein triks aschlocher
     
    Er las Coker die SMS vor.
    »Das war mir irgendwie entfallen. Wie du dich vielleicht erinnerst,
hatte ich damit zu tun, einen durchgedrehten Geiselnehmer unschädlich zu
machen. Damit hast du dir also die Zeit vertrieben, nachdem du bei uns an der
Kirche warst?«
    »Ich bin selbst immer wieder erstaunt über meine Fertigkeiten.«
    »Ja, ja. Ist die SMS wirklich von Deitz?«
    Danziger sah noch einmal auf das Display.
    »Na ja, der Typ weiß jedenfalls nicht, wie man ›Arschlöcher‹
schreibt.«
    »Das muss Deitz sein.«

Merle Zane sieht sich die Stadt an
    Auf dem Rückweg kam Merle in der Gwinnett an dem Geschäft
vorbei, vor dessen Schaufenster die Leute gestanden und die Berichterstattung
über die Geiselnahme in der Kirche verfolgt hatten. Jetzt waren nur noch drei
Männer und ein kleiner Junge da, und die Fernseher zeigten allesamt immer
wieder dieselbe Wiederholung: Ein kleiner, dicklicher Mann in grüner Uniform
wurde blutend und in Handschellen von einer rothaarigen, beeindruckenden
Polizistin abgeführt. Sie grinste breit und rief einem hochgewachsenen Mann mit
silbergrauem Haar etwas zu, der in einem dunkelgrauen Anzug und mit
verschränkten Armen an einem Streifenwagen lehnte.
    Der Mann im Anzug war Coker, durchfuhr es Merle, und ein paar Meter
entfernt stand, ebenfalls breit grinsend, Charlie Danziger inmitten einer
Gruppe von Uniformierten. Er rauchte eine Zigarette und fühlte sich offenbar
pudelwohl.
    Merle blieb stehen. Er verarbeitete das. Zu seiner Überraschung
stellte er fest, dass er auf seltsame Weise und keineswegs plötzlich aufgehört
hatte, sich dafür zu interessieren, was die beiden taten. Es war, als gehörten
sie zu einem anderen Leben, einem alten Leben, das er früher einmal gehabt
hatte, und als wären sie in seinem neuen Leben ohne jede Bedeutung. Vielleicht,
dachte er, sollte er sich fürs Erste an Glynis halten. Er brauchte ein
Dach über dem Kopf, und sie war eine verdammt gutaussehende Frau. Um Coker und
Danziger konnte er sich später kümmern.
    Er warf noch einmal einen langen Blick auf die beiden, die,
zufrieden mit sich und der Welt, lächelten und mit den Bullen redeten, und
schloss sie dann unter Unerledigtes in seinem Herzen ein.
    Ein Stück weiter nahm er im Vorbeigehen ein paar Pfirsiche von der
Auslage eines Obsthändlers, legte, ohne stehenzubleiben, einen
Fünf-Dollar-Schein hin und spazierte so unbeschwert, wie er es seit damals, vor
seinem Aufenthalt in Angola, nicht mehr gewesen war, in Niceville herum.
    Später, als die Dunkelheit einsetzte, ruhte er seine müden
Glieder auf einer Bank in den Schatten des Stadtparks aus, zündete sich eine
Zigarette an und sah dem Hin und Her der Bürger von Niceville zu.
    Gegen zehn erschien der Mann aus dem Blue Bird Bus, der traurige
Typ, der neben ihm gesessen hatte, und setzte sich ebenfalls. Merle bot ihm
eine Zigarette an, die der Mann, nach einigem Nachdenken, wortlos nahm, und
dann saßen sie in eigenartigem, aber angenehmem Schweigen da und sahen den
vorbeispazierenden Menschen zu. Um halb elf war der

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