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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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sich zu rennen, er rannte auf die schwarze Gestalt im
Flur zu, rannte einfach durch sie hindurch – ein flüchtiges Gefühl intensiver
Hitze, als würde er an einer explodierenden Sprengladung vorbeirennen, ein
Hauch weißglühenden Hasses und das Gefühl, etwas Hungriges zerre an ihm. Er riss
sich los und rannte durch den Flur zur Eingangshalle. Die Haustür stand weit
offen.
    Etwas Formloses, Schwarzes schien hereinzufließen, bauschte sich und
flog auf Kate zu. Nick riss sie zur Seite. Das schwarze, wolkige Etwas hielt
inne, zog sich zusammen, erbebte und schoss explosionsartig auf sie zu. Hinter
ihnen ertönte eine Stimme, die Stimme einer Frau.
    »Clara. Stop.«
    Sie fuhren herum. Mitten im Wohnzimmer stand barfuß und in weißem
Sommerkleid eine hochgewachsene Frau mit einem starken, wettergegerbten
Gesicht, tiefliegenden grünen Augen, einer guten Figur und langem schwarzem
Haar, das ihr schimmernd über die Schultern fiel.
    Sie stand direkt vor dem Spiegel, auf dessen Rückseite ihre Karte
befestigt war. Das Glas des Spiegels verströmte ein grünliches Leuchten und
umgab sie mit einer Aura aus waberndem Licht, so stark, dass man durch den
dünnen Stoff des Kleides die Umrisse ihres Körpers sehen konnte.
    »Clara. Stop. Komm nach Hause.«
    Nick und Kate drehten sich wieder zu der schwarzen Wolke um, doch sie
war verschwunden. In der Eingangshalle stand unschlüssig eine junge Frau in
einem grünen Sommerkleid, eine hübsche junge Frau mit sanften braunen Augen und
schönem, honigfarbenem Haar. Clara Mercer.
    Clara schüttelte den Kopf und trat rückwärts in den Schein der
Verandalampe. Ihre Umrisse verblassten. Die andere Frau – Glynis Ruelle –
sprach wieder, mit mehr Nachdruck und einem leisen Unterton von Ungeduld.
    »Clara. Abel ist tot. Ich habe ihn jetzt. Er ist bei der Ernte. Es
ist vorbei. Komm nach Hause.«
    Die Spannung zwischen den beiden Frauen erzeugte ein tiefes Summen.
Es wurde lauter und steigerte sich zu einem schrillen Pfeifen an der Grenze des
Hörbaren. Der Raum war erfüllt von dem grünen Licht aus Glynis Ruelles Spiegel.
    Clara sprach.
    »Abel ist tot?«
    »Ja.«
    »Hat er sich deinem Mann gestellt?«
    »Ja. Und wir haben Satisfaktion erhalten.«
    Clara zögerte, ihre Gestalt schien zu flackern. Die schwarze Wolke
erschien wieder und verschwand in der Dunkelheit vor der Tür.
    Clara kam auf Nick und Kate zu, die mitten in der Eingangshalle
standen, und ging durch sie hindurch. Beide spürten sie, spürten die Trauer,
den Kummer, die Sehnsucht, die Wut. Sie trat in den grünen Lichtschein und
blieb vor Glynis stehen.
    Das Licht aus dem Spiegel wurde heller, ein Blitz zuckte auf, und
dann war es verschwunden. Nick und Kate standen allein in der Eingangshalle vor
der offenen Haustür. Das gelbe Licht der Verandalampe beleuchtete den
Steinboden.
    Es herrschte Stille. Nach einer Weile drückte Kate die Tür zu, schob
mit zitternder Hand den Riegel vor, ging zu dem Spiegel, der an einem Sessel
lehnte, und berührte das Glas mit den Fingerspitzen. Es war warm wie Blut. Sie
kippte ihn nach vorn und legte ihn mit dem Glas nach unten auf den Boden.

SONNTAGMORGEN

Byron Deitz kapiert etwas
    Byron Deitz und Phil Holliman saßen in Gartensesseln am
Swimmingpool. Die Markise flatterte in einem warmen Wind, und die Sonne brannte
um diese frühe Uhrzeit schon so heiß, dass es war, als stünde die Luft in
Flammen.
    Holliman trug ein weißes Hemd und einen Seersucker-Anzug, seine
nackten Füße steckten in leichten italienischen Slippern, und er wirkte kühl
und gelassen. Deitz dagegen schwitzte, sein Gesicht war feucht und gerötet. Er
schenkte sich Gin nach, warf ein paar klingelnde Eiswürfel in das Glas,
schwenkte es einmal und trank es in einem Zug aus.
    »Mann«, sagte Holliman, »du siehst nicht gut aus.«
    Deitz stellte das Glas hart ab und starrte Holliman durch die
verspiegelte, zwei Insektenaugen gleichende Sonnenbrille an, so dass dieser
darin ein verzerrtes Bild von sich selbst sah. Deitz wies mit einer fahrigen
Geste auf einen weißen Lieferwagen mit der Aufschrift STADTWERKE NICEVILLE
NOTDIENST .
    »Die verdammte Klimaanlage ist ausgefallen, und zwar mitten in der
Nacht. Das ganze System ist abgestürzt – irgendein Computerscheiß. Jetzt ist
einer da und versucht, es zu reparieren.«
    »Wo sind Beth und die Kinder?«
    »Im Augenblick nicht da.«
    Holliman fragte nicht, warum.
    Er konnte es sich ganz gut vorstellen.
    »Und wo ist sie? Bei ihrer Schwester?«
    »Nein, sie ist in

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