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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Schlitten und die darauf aufgetürmten weißen
Steine. Kate beugte sich vor und war ihm so nah, dass er ihren Duft riechen und
die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Sie zuckte und fuhr zurück.
    »Nick, sind das Schädel?«
    »Ja«, sagte er. »Das war auch mein erster Gedanke. Lass den Film
noch ein bisschen laufen. Gleich geschieht noch was. Ich will sehen, ob ich
recht hatte.«
    Kate klickte auf PLAY , und der Film lief weiter. Nick
war noch immer im Bild. Sie hörten Beaus Stimme.
    »Nick,
bitte, fass es nicht an.«
    » Ich
will nur mal … «
    Dann ein tiefes, durchdringendes Fauchen, laut genug, um den Raum zu
erfüllen.
    Nick beugte sich gespannt vor.
    Das Bild der Farm flackerte und verschwand, und an seiner Stelle sah
man nun eine gewellte Rasenfläche, einen schwarzen Zaun, den rot-weißen Wagen
einer Sicherheitsfirma und einen jungen Schwarzen in Uniform.
    »Was war das?«, fragte Kate. »Was ist passiert? Und was war das
fauchende Geräusch?«
    »Delias Katze. Sie hockte unter dem Ofen. Und was da passiert ist:
Das Bild hat sich verwandelt .
Erst waren da ein Feld und Leute, die gegraben haben, dahinter war ein Wald,
und außerdem –«
    »Ein mit Schädeln beladener Schlitten.«
    »Ja. Und dann hat es sich in das Bild der Szenerie vor Delias Haus
verwandelt.«
    Schweigen.
    »Was hat das zu bedeuten, Nick?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Es war ein Ort, den es wirklich gibt, oder?«
    »Es sah jedenfalls ziemlich wirklich aus. Vielleicht ein Friedhof?
Davon gibt’s im Süden jede Menge.«
    »Wir könnten Fotoarchive durchsuchen – vielleicht finden wir ja was.
Der Wald, die ganze Landschaft – das sieht so aus, als könnte es in den
Belfair-Hügeln sein.«
    »Die Ruelles hatten eine Farm südlich von Sallytown, das hat dein
Vater mal erwähnt. Das wäre dann mitten im Hügelland. Da gibt es solche alten
Mischwälder. Kannst du den Film speichern?«
    »Ja«, sagte Kate und drückte die entsprechende Taste.
    Das Bild verschwand.
    Draußen flackerte es, und dann erlosch die Straßenbeleuchtung.
    »Na, toll«, sagte Kate. »Jetzt sind anscheinend wir dran.«
    »Das ist nur ein Stromausfall, Kate.«
    »Dann unternimm etwas Mannhaftes.«
    Nick stand auf und ging zum Wohnzimmerfenster. Draußen war alles
dunkel, doch im Haus funktionierten die Lampen noch. Zwischen den Bäumen
hindurch konnte er Licht in den Häusern der Nachbarn sehen, was bedeutete, dass
auch dort kein Strom ausgefallen war. Kate saß auf dem Boden und starrte mit
bleichem Gesicht zu ihm hoch.
    »Wie ich gesagt habe: ein kurzer Stromausfall.«
    »Warum ist dann im Haus noch Licht.«
    »Weil die Straßenbeleuchtung an ein anderes Kabel angeschlossen
ist.«
    Nick nahm den Telefonhörer, hörte den Wählton, wählte Sylvias Nummer
und ließ es lange läuten. Schließlich legte er den Hörer wieder hin und blickte
hinaus auf die Straße.
    Er sah nur sein Spiegelbild im Glas der Fensterscheibe – eine Gestalt,
die im Licht stand, und neben ihm, auf dem Boden, Kate, die hinausstarrte.
    »Ich sehe mal nach den Sicherungen.«
    »In den Horrorfilmen ist der Typ, der in den Keller geht, um nach
den Sicherungen zu sehen, immer der Erste, der umgebracht wird.«
    »Aber wir sind hier nicht in einem Horrorfilm.«
    »Aber vielleicht in einer Gespenstergeschichte.«
    »Ich glaube, du brauchst etwas zu trinken.«
    »Ja, allerdings. Und du ebenfalls.«
    Nick ging durch den schmalen Flur zur Küche und sah zum Wintergarten
an der Rückseite des Hauses. Der Raum war in warmes Licht getaucht, und im
Garten beleuchtete der weiche Schein der Lampen die Baumreihe am unteren Rand
der Rasenfläche.
    Er schenkte zwei Gläser Beaujolais ein, als er die Türglocke hörte.
Er drehte sich um und wollte durch den Flur zur Haustür gehen. Eine dunkle
Gestalt versperrte ihm den Weg. Eine Frau mit einem schwarzen Niqab.
    Er hörte Kate durch die Eingangshalle gehen.
    »Mach nicht auf«, rief er.
    Die schwarze Gestalt verharrte im Flur, wabernd, undeutlich, aber
voller Bedrohlichkeit.
    Kate war jetzt an der Haustür. Durch das hohe Milchglasfenster neben
der Tür sah sie im gelben Licht der Verandabeleuchtung eine vertraute Gestalt
in einem verknitterten Trenchcoat stehen. Sie hörte eine vertraute Stimme.
    »Kate? Ich bin’s, Dad. Bist du zu Hause?«
    Ihr blieb das Herz stehen.
    »Nick, es ist Dad.«
    »Nein«, rief Nick, »das ist nicht dein Dad!«
    Kate ging auf die Tür zu, ihr Hand griff nach dem Türknauf aus
Messing, als gehörte sie nicht zu ihr.
    Nick zwang

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