Nicholas Dane (German Edition)
Schuld …«
Jenny war untröstlich. Michael machte ein paar hilflose Versuche, sie aufzuheitern, aber erst als das Essen kam, fing sie sich wieder einigermaßen.
»Tja«, sagte er. »Er scheint in Ihnen eine wahre Freundin zu haben. So schlecht kann er also nicht sein.«
»O nein«, sagte Jenny. »Er ist liebenswürdig. Alle mögen Nick.«
Michael starrte sie an. Ihm fiel seine Begegnung mit Mr Creal ein und er dachte, was zum Teufel geht hier eigentlich vor?
Es wurde ein richtig schöner Nachmittag. Nach dem Essen gingen sie durch die Läden und suchten nach einem Geschenk für Nick. Jenny war beeindruckt. Michael war ein netter Mann. Sie guckte ihn immer wieder an, weil sie herausfinden wollte, ob er ihr gefallen könnte – das wäre doch wirklich sehr praktisch! Und sie konnte es sich tatsächlich vorstellen, obwohl er viel zu alt war. Aber sie war klug genug, es nicht auf einen Versuch ankommen zu lassen, auch weil sie spürte, dass er seinerseits klug genug war, nicht zu weit zu gehen.
Einen Menschen zu retten ist doch nicht so leicht, wie es scheint, dachte Michael, als sie bei Debenhams waren und er zuschaute, wie sie die Kleiderständer nach etwas durchstöberte, das Nick gefallen könnte. Michael machte sich nichts vor. Er war großzügig, freundlich, aber auch faul. Einen verstörten Jugendlichen aufzunehmen sprengte sein Vorstellungsvermögen. Also ein Internat. Aber das Früchtchen würde garantiert ausreißen. Was blieb da noch?
Er hatte keine Ahnung.
Schließlich kauften sie ein Paar Jeans und eine gute Jacke. Michael wollte unbedingt auch eine Kleinigkeit für Grace und Joe besorgen, und als Jenny beschäftigt war, kaufte er in der Lebensmittelabteilung eine Schachtel Pralinen für sie, ließ sie als Geschenk verpacken und steckte das Päckchen heimlich in Jennys Tasche. Sie verabschiedeten sich dort voneinander, wo sie sich getroffen hatten, in Piccadilly Gardens. Er küsste sie auf die Wange und eilte zur U-Bahn, froh, das Problem hinter sich zu lassen. Er würde tun, was er konnte, solange ihm nicht allzu viel dabei abverlangt wurde. Als Erstes musste er den Jungen kennenlernen. Sie hatten einen Termin nach Silvester ausgemacht, kurz bevor Michael nach Sevilla zurückfliegen wollte. Dann würde man sehen, was er tun konnte – wenn es der Junge schaffte, bis dahin sauber zu bleiben.
Jenny wollte Nick nicht sofort mit dem neuen Onkel überraschen, aber sie bekam Nick sowieso erst am Weihnachtsmorgen zu sehen, als er mit seinen Geschenken und einem offenbar üblen Kater aufkreuzte – jedenfalls hoffte sie, dass er nur zu viel getrunken hatte. Aber da hätte sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Es lag wirklich am Alkohol. Eines musste man Sonnschein lassen, Drogen mochte er nicht. Wobei Haschisch in seinen Augen keine Droge war, so wie für einen Trinker Bier kein Alkohol ist.
Während Grace und Joe mit ihren neuen Sachen spielen durften, nahm Jenny Nick zur Seite und erzählte ihm von dem neu gewonnenen Verwandten.
Er hörte teilnahmslos zu.
»Er möchte dich kennenlernen«, sagte sie. »Er kommt extra aus Taunton, nur um dich zu sehen, Nick, bevor er wieder nach Spanien fährt.« Sie stupste ihn am Arm. »Der hat in Spanien ein Haus«, sagte sie. Sie stupste ihn noch einmal. »Der hat Kies«, sagte sie und grinste.
Nick wich ihrem Blick aus. Noch einer, der ihm helfen wollte. Er wusste nicht, ob er das brauchen konnte. Er kam ganz gut alleine zurecht.
»Bitte, Nick, sag, dass du kommst«, bat ihn Jenny.
»Ich komme«, sagte Nick. Aber er nickte nicht, er blinzelte nicht, und Jenny nahm es ihm nicht ganz ab.
Sie zogen das volle Weihnachtsprogramm durch – Putenbraten, Weihnachtsbaum, am Nachmittag Filme. Jenny schenkte Nick einen Walkman und fragte nicht, woher er für sie die hübsche Ledertasche hatte oder für Joe das ferngesteuerte Auto oder für Grace das Schminktäschchen und das neue Album von Duran Duran, nach denen sie verrückt war. Das Paket von Michael hob Jenny bis zum Schluss auf.
»Was ist das?«, fragte er.
»Guck auf das Kärtchen«, erwiderte sie.
»Von Deinem Onkel Michael«, las er. Er machte es auf. Was zum Anziehen.
»Ich hab ihm beim Aussuchen geholfen«, erklärte Jenny. Der Junge nickte und legte die Sachen zur Seite.
»Willst du sie denn gar nicht anprobieren?«, fragte sie.
»Später«, sagte er.
Dann spielten sie Spiele. Nick hatte Jennys Kinder längst für sich gewonnen, vermutlich, weil er nur gelegentlich vorbeikam und nicht für
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