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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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wohl hingehen?«, zischte Sonnschein mit breitem Bolton-Akzent.
    Die halbe Nacht blieb er auf und wartete auf sie, aber als sie um zwei Uhr morgens immer noch nicht zurück war, zog er seinen Mantel an. »Aus und vorbei. Mit uns beiden ist Schluss«, verkündete er und verließ tiefbetrübt das Haus, um woanders Trost zu suchen. Aber Stella kam doch wieder, etwa eine Stunde nachdem er gegangen war. Allerdings schlief sie im großen Raum und wärmte ihm nicht wie sonst das Bett an.
    Am nächsten Morgen war Sonnschein bereits vor acht Uhr wieder da.
    »Du warst bei ihm«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. Stella stritt es ab, sie bestand darauf, dass sie in Blackley bei einer Freundin gewesen war.
    Wieder gab es einen riesigen Streit.
    »Geh doch hin und frag sie!«, brüllte sie. Und Sonnschein machte überraschenderweise einen Rückzieher. Sie vertrugen sich wieder, aber danach änderte sich ihr Verhältnis. Es gab immer häufiger Streit. Jones kam fast jeden Tag vorbei und genoss mit rattenhaftem Grinsen die Spannung im Raum. Irgendwann platzte er mitten in einen Streit hinein. Er setzte sich, trank ein Bier und rauchte einen Joint. Als der Streit nicht aufhörte, stand er auf, nahm seinen Rucksack und reckte den Kopf Richtung Tür.
    »Kannste genauso gut mit mir mitkommen.«
    »Mach doch«, sagte Sonnschein bitter. Stella stand auf und ging Jones hinterher. Sie nahm noch nicht einmal ihre Sachen mit. Jones holte sie später.
    Sonnschein war am Boden zerstört. Er verbrachte eine Woche im Bett, und als er wieder rauskam, war er dünn und alt geworden. Zwar war er bald wieder der Alte, rauchte sein Gras, drehte seine Runden. Aber die Erinnerung an Stella schmerzte wie eine Wunde. Auch Nick vermisste sie. Ohne ihre Gesellschaft fühlte er sich einsamer denn je.
    Nach ein paar Wochen kam Stella gelegentlich vorbei, immer zusammen mit Jones. Sie schien all ihr Selbstvertrauen verloren zu haben, aber sie liebte Jones, das war nicht zu übersehen. Sie konnte die Augen nicht von ihm abwenden und lief ihm hinterher wie ein Hund. Das war ganz und gar nicht die Stella, die Nick kannte. Zwar hatte sie immer getan, was Sonnschein von ihr verlangte, aber dabei hatte sie ihn immer angeknurrt, nach ihm geschnappt und kein Hehl aus ihrem Frust gemacht. Sie war nicht lange wieder mit Jones zusammen, da hatte sie blaue Flecken auf den Wangen, um die Augen herum, und manchmal ging sie ganz schief, als schmerzten ihr die Rippen. Niemand wagte sie zu fragen, woher diese Verletzungen stammten.
    Etwa zu dieser Zeit nahm Nick all seinen Mut zusammen und ging noch einmal zu Jenny, trotz seiner Angst, erwischt zu werden, trotz ihrer Ankündigung, lieber den offiziellen Weg gehen zu wollen. Jenny war allerdings längst zu dem Schluss gekommen, dass Mrs Batts und das Jugendamt keine große Hilfe waren. Sie wollte den Jungen einfach nur ermutigen, sie so oft wie möglich zu besuchen.
    Nick war äußerst verstört – das war ihr sehr bald klar. Sie verstand nicht, wieso er so traumatisiert war, aber aus irgendeinem Grund war er ständig auf der Hut, und warum auch immer, es musste mit Meadow Hill zusammenhängen. So lockte sie ihn, als wäre er ein verwilderter Kater, mit Essen und einem warmen Schlafplatz. Und tatsächlich zeigte die Aussicht auf eine anständige Mahlzeit und eine Nacht auf ihrem Sofa bald Wirkung. Gegen Ende November kam Nick regelmäßig ein-, manchmal sogar zweimal in der Woche vorbei. Doch mit diesem kleinen Erfolg musste sich Jenny zufriedengeben. Sie wusste nach wie vor weder, wo er wohnte oder was er tat, um Leib und Seele beisammenzuhalten, noch ahnte sie, was um alles in der Welt in Meadow Hill passiert sein mochte, das ihn zu dem gemacht hatte, der er jetzt war. Sobald sie darüber sprechen wollte, entzog er sich. Kaum hatte sie ihm den Rücken zugedreht, war aus der Tür.
    Vierzehn Tage vor Weihnachten bekam Jenny über Mrs Batts einen Brief von Michael Moberley. Das war eine ziemliche Überraschung – denn sie hatte bislang nicht einmal gewusst, dass dieser Onkel gefunden worden war. Der Brief steckte in einem Umschlag vom Jugendamt, der auf ihrer Fußmatte lag. Weil Jenny, wenn es um Nick ging, immer in Alarmbereitschaft war, machte sie den Umschlag sofort auf. Darin fand sie ein Schreiben von Mrs Batts, in dem sie Jenny aufforderte, ihr sofort Mitteilung zu machen, wenn sie irgendetwas über Nick in Erfahrung brächte, sowie einen Brief des so schwer fassbaren Großonkels.
    Es waren nur wenige Zeilen. Im

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