Nicholas Dane (German Edition)
Witz gemacht – hatte er aber nicht. Schweigend gingen sie weiter durch die Nacht, bis sie in Salford waren, in einem Gewirr von kleinen Straßen hinter dem Polytechnikum, wo Jones mit Stella in einem Reihenhäuschen lebte. Jones schloss die Tür auf, die direkt ins Wohnzimmer führte. Auf dem Sofa fläzte sich ein großer, rothaariger Mann. Er trug dünne, graue, fleckige Anzughosen, ein eng sitzendes punkiges T-Shirt mit Löchern, klobige Stiefel und hatte in der Nase zwei Piercings. Sein Haar war hinten zu einem inzwischen fast herausgewachsenen Iro geschnitten, vorne lichtete es sich. Über die kahlen Stellen oberhalb der Schläfen hatte er sich Haare von hinten vor gekämmt, was allerdings nicht sonderlich gut gelungen war. Er hielt eine Dose Bier in der Hand und guckte Coronation Street .
»Das ’s der Affe?«, fragte er, als sie reinkamen, und musterte Nick. »Bisschen groß für’n Affen, oder? Wie heißt er?«
Jones grunzte und holte sich ein Bier aus der Küche.
»Nick, Nick Dane«, sagte Nick.
»Schon gleich mit Nachname! Freut mich, dich kennenzulernen, Nicholas Dane«, sagte der große Mann. »Nachnamen sind für Freunde, und ich behalte meinen noch für mich, bis wir uns ein bisschen besser kennen. Beste Freunde halten immer dicht, was? Kannst mich John nennen. Is natürlich nicht mein richtiger Name«, fügte er hinzu. »Bei so ’m Job hier, da sagt niemand seinen richtigen Namen. Will nur hoffen, dass du dir Nick Dane auch bloß ausgedacht hast.«
Jones erschien an der Tür, in der Hand ein Bier. »Wir machen nur ’ne Apotheke klar, Mr David Manley aus der Crescent Road Nummer 17 in Salford«, sagte er. »Is doch nich der scheiß Kalte Krieg hier. Nick kannste trauen. Er is einer von Sonnscheins Jungs. Wenn er Scheiße baut, is er tot, und das weiß er auch, also, was soll’s?« Er lächelte Nick freudlos an, sein Freund schloss die Augen und seufzte, wagte aber nicht, etwas zu sagen. Jones nahm einen Schluck aus seiner Dose. »Wo ist Stella?«, fragte er.
Der andere Mann deutete nach oben. »Ich glaub, die steht nicht so auf mich, Jones. Wenn wir noch mal was zusammen machen, solltest du dir vielleicht ’ne nettere Freundin zulegen.«
Jones verzog das Gesicht. »Sie ist nur nett, wenn sie dafür bezahlt wird«, sagte er. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, legte den Kopf nach hinten und brüllte »Stella!« in Richtung Decke. Über ihnen knackten die Dielen. Einen Moment später kam sie die Treppe runter, die sich in der Mitte des Hauses befand. Stella und Nick musterten einander über die Köpfe der beiden sitzenden Männer hinweg.
»Abendessen«, knurrte Jones.
Stella nickte und ging in die Küche. Nick folgte ihr, nachdem er sich mit einem Blick zu Jones vergewissert hatte, dass der nichts dagegen hatte. Sie ging steif, bemerkte er, hinkte sogar ein bisschen. Ihr Gesicht war auf einer Seite blau und angeschwollen.
»Geht’s dir gut?«, flüsterte Nick.
»Doch, klar.« Stella straffte sich und umarmte Nick. »Schön, dich zu sehen, Süßer. Wie läuft’s bei Sonnschein?«
»Okay.« Nick lehnte sich an die Arbeitsplatte und guckte zu, wie sie Hackfleisch aus dem Kühlschrank holte und dann eine Zwiebel klein schnitt.
»Was ist passiert?«, fing er an, wurde aber unterbrochen, weil die Küchentür aufgestoßen wurde. Es war Jones. Er neigte den Kopf zu Stella hin. »Ist besoffen die Treppe runtergefallen, die blöde Schlampe«, sagte er.
»Ja, tut mir leid«, sagte Stella ohne eine Spur von Sarkasmus. Jones nickte, ließ die Tür offen und setzte sich im Wohnzimmer so, dass er beim Fernsehen und Biertrinken Stella und Nick im Auge behalten konnte und sie das auch merkten. Da der Fernseher aber sehr laut gestellt war, konnten sie trotzdem ungestört reden.
»Weißt du, was das für ein Job ist?«, fragte Stella.
»Ja, aber ich weiß nicht, wann’s losgeht.«
Sie zuckte die Achseln und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Du musst ’ne Macke haben, Nick, dass du dich auf so was einlässt. Ich dachte, du hättest mehr Grips.«
»Das musst gerade du sagen.«
»Ich hab keine Wahl.«
»O doch, die hast du.«
Wütend hackte sie die Zwiebel klein.
»Ich bin mit ihm zusammen. Da muss ich doch zu ihm halten, oder?«
»Ach ja?«
»Ja. Aber du musst nicht hier sein.«
»O doch. Sonnschein will das so.«
»Hau ab, Nick, das ist es nicht wert.«
»Wohin?«
»Was ist mit der Frau, von der du mir erzählt hast?«
»Jenny? Wenn ich bei der bleibe, werd ich früher oder
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