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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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super.
    Die Tür ging auf und Grace kam herein. Sie schaute eine Weile zu, wie Joe seine Transformers umbaute, dann ging sie zum Fenster und guckte hinunter in den Garten. Sie war neun. Joe und sie stammten aus zwei verschiedenen Beziehungen von Jenny, die beide schiefgegangen waren. Als Joe geboren wurde, war Grace etwa so alt wie er jetzt. Im Moment kam sie einigermaßen gut mit ihm zurecht, aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie zornig sie gewesen war, als ihr Bruder ihr auf so gemeine Weise die Aufmerksamkeit ihrer Mutter gestohlen hatte, die sie nie wirklich zurückbekommen hatte, bis heute nicht.
    Grace sah einer Katze nach, die auf der Mauer am Ende des Gartens lief. Dann blickte sie sich zu Joe um.
    »Joe? Findest du es gut, dass du Mummy jetzt mit Nick teilen musst?«
    »Ich will einen großen Bruder haben.«
    Sie schaute wieder in den Garten, als gäbe es dort was Besonderes zu sehen, und plötzlich wurde sie von einer gehässigen Gier nach Mutterliebe ergriffen, die sich wie Fieber in ihr ausbreitete.
    »Sie liebt ihn genauso wie uns, dabei ist sie nicht mal seine Mutter«, sagte Grace.
    Joe sagte nichts. Über so etwas wie Liebe hatte er noch gar nicht nachgedacht, aber wenn er es sich recht überlegte, schien das tatsächlich ein bisschen übertrieben zu sein.
    Grace blickte wieder zu ihm hinüber.
    »Ich weiß, warum seine Mutter gestorben ist.«
    »Gar nicht wahr.«
    »Doch. Ich habe gehört, wie Mummy und die Frau darüber geredet haben.«
    »Und, warum?«
    »Sie wurde vergiftet.«
    Joe dachte darüber nach. Das klang sehr unwahrscheinlich.
    »Quatsch.«
    »Doch.«
    Joe schüttelte den Kopf. Grace starrte zu ihm hinunter und ging einen Schritt weiter.
    »Soll ich dir ein Geheimnis verraten?«
    »Was denn?« Joe tat so, als beschäftigte er sich wieder mit seinen Figuren, war aber ganz Ohr. Er liebte Geheimnisse. Ein Geheimnis schien immer viel wirklicher zu sein als das, was die Leute einem einfach so erzählten.
    »Aber du musst versprechen, dass du es nicht weitersagst.«
    »Versprochen.«
    »Ich habe gehört, wie er im Schlaf geredet hat.«
    Joe bekam Stielaugen.
    »Und weißt du, was er gesagt hat?«
    »Was?«
    »Er hat gesagt, seine Mutter ist tot, und jetzt will er unsere Mutter.«
    Joe riss die Augen noch weiter auf.
    »Und er hat gesagt, wenn das nicht geht, dann wird er sie töten wie die andere auch.«
    Joe riss die Augen so weit auf, dass sie ihm aus dem Kopf fielen und unter den Schrank rollten, wo die toten Spinnen lebten.
    »Denk dran! Du hast versprochen, dass du es nicht weitersagst!« Grace verließ den Raum und hüpfte über den Flur in ihr Zimmer. Niemals würde sie ihre Mum mit irgendeinem hässlichen, großen Jungen teilen, bloß weil der zu blöde war, seine eigene Mutter zu behalten. Natürlich würde sie ertappt werden – irgendwie würde Jenny schon aus Joe rauspressen, was seine Schwester gesagt hatte, und Grace würde dafür Prügel bekommen. Und dann musste Grace Joe verhauen und dafür würde sie dann auch wieder Prügel kriegen. Na und! Sie würde jede Menge Aufmerksamkeit bekommen. Und das tat ihr schon jetzt gut.
    Es war sechs Uhr. Ray hätte bereits vor einer Stunde da sein müssen. Das Huhn bräunte im Bräter, die Gäste konnten jeden Moment eintreffen und Nick war immer noch nicht aufgetaucht. Langsam fing Jenny an, sich Sorgen zu machen. Wenn ihm nun was zugestoßen war? Wenn er irgendwas angestellt hatte? Sie wusste nicht, ob sie die Polizei rufen oder einfach die Daumen drücken und auf das Beste hoffen sollte.
    Sie blickte aus dem Fenster. Es hatte angefangen zu regnen. Wo zum Teufel steckte dieser Junge? Sie war nervös und ängstlich, fühlte sich ausgesprochen hilflos. War das so, wenn man für Jugendliche Verantwortung übernahm?
    Gerade als Jenny das Huhn aus dem Ofen holen wollte, klingelte es. Sie rannte zur Tür, voller Hoffnung, dass es Nick war, aber es waren Ray und Mrs Batts, die zum Schutz vor dem Regen auf der Vortreppe unangenehm nah aneinanderrücken mussten. Fröhlich plappernd führte Jenny die beiden den Flur entlang zum Wohnzimmer. Da sie selbst Raucherin war und genau wie Ray an dem Abend Zuspruch aus der Whiskeyflasche gesucht hatte, fiel ihr überhaupt nicht auf, was Mrs Batts sofort gemerkt hatte, als sie mit Ray Kopf an Kopf vor der Haustür gestanden hatte: Ray stank nach Zigaretten und Whiskey, denn er hatte eine Stunde in der Eckkneipe verbracht.
    Ray folgte Jenny zur Küche und blieb hinter ihr stehen. »Alles klar?«,

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