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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Jenny halten, was man wollte – eine begabte Lügnerin war sie in jedem Fall. Mrs Batts ging ihr total auf den Leim.
    Den ganzen Nachmittag war Jenny emsig damit beschäftigt, alles vorzubereiten. Von ihrer Nachbarin Hilary, die regelmäßig kochte, borgte sie sich ein Kochbuch. Während sie darin blätterte, rief sie Ray an, ihren derzeitigen Liebhaber, und ernannte ihn zum Mann im Haus.
    »Die Kinder mögen ihn sehr, so wie einen Onkel«, hatte sie Mrs Batts erklärt. »Er zerreißt sich für sie. Er macht sogar Reparaturen im Haus«, hatte sie überschwänglich versichert. In Wirklichkeit verfügte Ray gerade eben so über die Grundvoraussetzungen, die ein Mann für Jennys Begriffe mitbringen musste: Schwanz, Arbeit, Hobby. (Er war im selben Büro angestellt wie Jenny und sammelte Orden aus dem Ersten Weltkrieg.) Ansonsten war er ziemlich nutzlos.
    »Er ist nicht unbedingt der Mann meiner Träume«, hatte Jenny einmal gesagt, als Muriel Rays Qualitäten als Mann in Frage gestellt hatte. »Aber wenigstens auch nicht der Mann meiner Albträume.«
    Ray war entzückt über ihren Anruf. Es war das erste Mal, dass sie ihn zum Essen einlud.
    »Grinst du etwa?«, fragte sie misstrauisch.
    »Nein«, versicherte ihr Ray. Tatsächlich teilte sein glücklich aufgerissener Mund sein Gesicht in zwei Hälften.
    »Du musst selbstsicher auftreten. Sie will einen Mann im Haus. Das bist du.«
    »Der Mann im Haus«, flüsterte Ray vor sich hin.
    »Was? Flüsterst du schon wieder vor dich hin?«, fragte Jenny argwöhnisch.
    »Nein!«
    »Denk dran, Nick ist ziemlich von der Rolle«, mahnte Jenny. »Seine Mutter ist gestorben. Er ist erst vierzehn.«
    »Vierzehn, klar.« Das war dumm. Jugendliche machten ihm Angst, besonders Jungs. Sie hingen auf der Straße rum und bedrohten einen. Sie waren zornig, hormongesteuert, aggressiv und unberechenbar. Vergleichbar mit einer alten Frau, deren Periode drei Jahre lang dauert, hatte ihm seine Mutter einst erklärt. Scheußlich.
    Ray riss sich zusammen. »Du kannst auf mich zählen, Jenny«, beteuerte er.
    Er legte den Hörer auf und tanzte in seiner Wohnung herum. Seit er sechzehn war, hatte er keine Freundin mehr gehabt. Damals hatte ihm Teresa Downey drei Wochen lang erlaubt, sie ins Kino einzuladen. Als Jenny, die reizende Jenny – sicher nicht die schönste, aber bei weitem die lebhafteste Frau im Büro –, nach der Arbeit mit ihm etwas trinken gehen wollte und dann auch noch essen, konnte er sein Glück kaum fassen. Seitdem war es auf und ab gegangen. Aber jetzt – eine Einladung zum Abendessen bei ihr zu Hause, mit der ganzen Familie! Als Nächstes würde sie ihn ihren Eltern vorstellen. Und schon bald würde sie ihn bitten, zu ihr zu ziehen. Der Mann im Haus! Ja, ja, ja! Endlich tat sich was in seinem Leben.
    Ray rannte nach oben und zog sich um. Er hatte versprochen, früher zu kommen und Jenny beim Kochen zu helfen. Er wusste sehr wohl, dass sie ihn erwählt hatte, weil er ihr Sicherheit bot – aber das machte nichts. Er hatte es in der Hand, ihr zu zeigen, dass Sicherheit auch sexy sein konnte. Beim Ankleiden dachte er über ihre Worte nach.
    Sei selbstsicher, hatte sie gesagt. Das konnte er. Sein Leben lang hatte er das bei anderen beobachtet. Unnachgiebig musste man sein und den Leuten über den Mund fahren. Kein Problem.
    Trotzdem – ein Junge in dem Alter! Das fand er doch sehr bedrohlich. Das war eine Situation, in der er allen Beistand brauchte. Deswegen wollte er auf dem Weg zu Jenny noch kurz in der Kneipe vorbeischauen, auf ein schnelles Bier und vielleicht einen Scotch, zur Vorbereitung auf die Prüfung. Er war kein Säufer, das war er nie gewesen. Aber sich ein bisschen Mut anzutrinken konnte nicht schaden.
    Ray mochte nicht immer allen Ansprüchen genügen, aber zumindest konnte sie sich darauf verlassen, dass er keinen Streit anfangen würde, überlegte Jenny. Ihre Hauptsorge galt dem kleinen Joe. Er litt immer noch unter den schlechten Erfahrungen mit dem letzten Mann, der regelmäßig bei ihnen ein und aus gegangen war. Aber als sie Joe am Nachmittag von der Schule abholte, war sie einigermaßen erleichtert. Er trat auf wie ein kleiner Gockel, voller Stolz, dass bei ihm zu Hause ein großer Junge wohnte, was er überall in der Schule verbreitet hatte. Allerdings wäre das beinahe nach hinten losgegangen – denn eigentlich hatten seine Freunde ihm erzählen wollen, wie schrecklich das mit großen Brüdern sei, aber dann hatten sie es doch vorgezogen,

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