Nicholas Dane (German Edition)
»Ich möchte nur sichergehen, dass Ihr Wunsch, sich um Nick zu kümmern, wohlüberlegt ist. Wenn ein naher, vertrauter Mensch stirbt, sagt man schnell etwas, das man im Moment für richtig hält, aaber wenn es dann konkreet wird – oje! Mit einer bloßen Absichtserklärung ist es nämlich nicht getaan. Wer immer Nick aufnimmt, muss sich unter Umständen auf einen seehr langen Zeitraum einstellen, falls sich sonst niemand aanderes findet.«
Jenny zuckte innerlich zusammen. »Ich mach das«, sagte sie entschlossen.
Nach dieser kurzen Drohgebärde wurde Mrs Batts wieder freundlich.
»Verstehen Sie mich nicht faalsch, Jenny«, sagte sie. »Ich habe überhaupt nichts dageegen, dass Nick zu Ihnen zieht. Eine Famiilie ist immer die beste Lösung – solange sie intaakt ist. Ich habe Kontaakt zu seiner Schule aufgenommen, und tjaa, wie’s aussieht, ist der Junge nicht ohne, keine Frage. Ich muss sicher sein, dass Sie sich darüber im Klaaren sind, was Sie da auf sich nehmen, bevor ich aalle Optionen sorgfältig abwäge. Wenn es nun schiefgeht? Das wäre für Nick das Schlimmste. Er braucht jetzt mehr denn je eine stabile Umgeebung. Wenn es hier bei Ihnen nicht klaappt und er daann ins Heim müsste, aber nun auf Grund eines Versaagens, wäre das schlimmer, als wenn er gleich von vornherein dorthin käme. Haben Sie ihm inzwischen gesaagt, woran seine Mutter gestorben ist? Wie hat er daas aufgenommen?«
»Ich habe es ihm noch nicht sagen können«, gestand Jenny.
»Aber in der Schule wird er es doch erfahren, oder?«
»Also, er ist eigentlich nicht in der Schule.«
»Wo daann?«
»Das weiß ich im Moment nicht so genau«, sagte Jenny zerknirscht.
»Oje!«, sagte Mrs Batts. »Jenny, das ist kein guter Staart. Sie müssen ihn an die kurze Leine nehmen. Natüürlich wäre es besser, wenn ein Maann im Haus wäre. Ich habe Ihnen doch schon von Anthony Creal in Meadow Hill erzählt, oder? Unter ihm entwickeln sich viele Jungen sehr gut. Er ist sehr fürsorglich – aber mit fester Haand. In Meadow Hill macht kein Junge irgendwelchen Uunfug.« Sie nickte bestärkend, damit Jenny auch begriff, wie gut Meadow Hill und Mr Creal waren. »Was meinen Sie? Ich könnte da was organisieren, wenn Sie wollen«, lächelte sie.
»Ich bin sicher, dass Nick bei mir besser aufgehoben ist«, sagte Jenny bestimmt. »Er ist daran gewöhnt, mit einer alleinerziehenden Mutter zu leben. Sie kennen doch die Männer, Mrs Batts! Den Mistkerlen kann man doch nicht übern Weg trauen, oder?«
Jenny grinste, obwohl sie das nicht nur witzig meinte. Aber sie hatte wieder das Falsche gesagt. Mrs Batts schien entsetzt.
»Oh, nein! Doch nicht aalle! Daas kann ich Ihnen versichern. Nein, nein. Das mag ja Ihren Erfahrungen entsprechen, Jenny, aber im Aallgemeinen stimmt das nicht, meehr kann ich dazu nicht saagen. Aalso, auf Anthony Creal oder auf meinen eigenen Mann – nein, auf die trifft das nicht zu, überhaupt nicht.«
Jenny stöhnte im Stillen. Sie machte keine gute Figur. »Das war doch nur so ’n Spruch«, sagte sie.
Der weitere Verlauf des Gesprächs ergab, dass Mrs Batts am nächsten Tag ihren Bericht schreiben und eine Empfehlung aussprechen würde. Um zu retten, was zu retten war, lud Jenny sie zum Abendessen ein.
»Damit Sie sich selbst davon überzeugen können«, erklärte sie Mrs Batts. »Ich kann nicht versprechen, dass alles perfekt sein wird – Joe braucht einfach eine Weile, bis er sich an eine neue Situation gewöhnt hat, und natürlich gibt es in unserer Familie wie anderswo auch das eine oder andere Problemchen …« Sie warf den Kopf zurück und lachte, um zu zeigen, welche Freude ihr die kleinen Tücken des Alltags machten. »Aber wir sind eine ordentliche Familie und wir mögen uns. Darauf kommt es doch an, oder?«
Mrs Batts nahm die Einladung erfreut an. Eine bessere Möglichkeit, sich ein Bild von einer möglichen Pflegefamilie zu machen, gab es nicht.
Jenny plante das Abendessen für halb sieben. Normalerweise aßen sie nicht alle gemeinsam am Tisch. Zur Abfütterungszeit, wie Jenny das nannte, machte sie belegte Brote oder Fischstäbchen oder so, und alle aßen mit dem Teller auf dem Schoß vor dem Fernseher. Das würde Mrs Batts bestimmt nicht gefallen, da war Jenny sicher. In einer ordentlichen Familie tat man so etwas nicht.
»Familien, die zusammen essen, halten auch zusammen«, hatte Jenny der pummeligen Sozialarbeiterin auf dem Weg zur Tür erklärt. Das hatte sie mal irgendwo gehört. Man konnte von
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