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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Erleichterung empfinden konnte. Seine Rippen schmerzten, sein Körper war blau und grün von den unzähligen Tritten. Ein Auge war dunkelblau und apfelgroß geschwollen, er hatte aufgeplatzte Lippen, lose Zähne. Er hinkte, weil ihm jemand in den Knöchel getreten hatte. Er war in einem entsetzlichen Zustand.
    Er war so benommen, dass er jedes Zeitgefühl verlor, aber nach seiner Ankunft musste etwa eine Woche vergangen sein, als es richtig ernst wurde. Folgendes geschah: Nick hatte sich so daran gewöhnt, angegriffen zu werden, dass er mehr oder weniger sofort zuschlug, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Er wollte zumindest einen Treffer landen und dadurch vielleicht seinen Angreifer verschrecken. Aber Nick hatte noch keine Ahnung von den Machtverhältnissen in Meadow Hill und deshalb kam es eines Tages dazu, dass er eher zufällig Steven Morris umhaute.
    Als es geschah, dachte sich Nick gar nichts dabei. Steven langte ihm mit dem Arm ins Gesicht, und Nick guckte nicht, wie groß dieser Angreifer war, überlegte auch nicht, ob der ihn überhaupt hatte angreifen wollen. Ehe Steven sich’s versah, lag er flach auf dem Boden, Nick saß auf seiner Brust und ließ ihm die Faust ins Gesicht fliegen – ein, zwei, drei, vier, fünf Mal –, bis ihn zwei Jungen wegrissen, weil sie um das Leben beider Jungen fürchteten.
    »Jetzt bist du tot«, flüsterte einer Nick ins Ohr. Das war keine Drohung, das war eine Prophezeiung.
    Steven war ein paar Jahre jünger als Nick. Er provozierte immer Prügeleien und war auch ein harter Bursche – aber wegen seiner Brüder schlug niemand zurück, wenn es sich vermeiden ließ. Die Morris-Brüder waren die größte, härteste Gang von ganz Meadow Hill. Zu jener Zeit waren drei von ihnen dort und zwei andere wuchsen in anderen Heimen in der Nähe von Manchester auf. Mit den Morris-Brüdern legte man sich nicht an. Die waren einfach zu gefährlich. Das waren Typen, die in fünf oder sechs Jahren Salfords Straßen unsicher machen und in zehn Jahren Manchesters übelste und brutalste Bande bilden würden. Derzeit beherrschten sie Meadow Hill. Niemand krümmte ihnen auch nur ein Haar. Denn man bekam es nie nur mit einem zu tun, sondern immer mit dem ganzen Clan.
    Mittags knöpften sich Stevens Brüder Nick vor.
    Der Anfang war wie immer – jemand tauchte plötzlich vor Nick auf und schubste ihn.
    »Du hast meinen kleinen Bruder angefasst, hä? Weißt du, wer ich bin?« Schubsen, Schubsen, Schubsen. Nick wich dreimal zurück. Dann rastete er aus, wie immer. Er sah rot. Er stürzte sich auf den Typen vor ihm, erwischte ihn aber nicht. Jemand trat ihm die Beine weg, er knallte mit der Seite auf den Boden, und das war’s. Alle drei Morris-Brüder standen um ihn herum, der kleine Steven tanzte hin und her, damit er ihn auch am Kopf und im Gesicht erwischte, und die schweren, schwarzen Schulschuhe traten krachend gegen Nicks Rippen, seinen Kopf, seinen Hals, in sein Gesicht.
    Schon nach Sekunden schmeckte Nick salziges Blut im Mund. Die Macht der Morris-Brüder beruhte auf schierer Gewalt. Nick war unfähig sich zu wehren. Sein Kopf hing wie ein Ball an einem kurzen Seil an seinem Hals und rollte bei jedem Tritt von einer Seite zur anderen. Andere Jungen brüllten, sie sollten aufhören, denn das war kein Kampf mehr, hier wurde einer zum Krüppel geschlagen.
    Dann war es vorbei. Nick sah nichts, hörte nur vage, wie sich Schritte entfernten. Er versuchte sich zu bewegen, aber seine Glieder taten nicht, was sie sollten. Ganz in seiner Nähe brüllte jemand, ein Mann.
    »Ich hab euch gesehen, euch drei. Michael Morris, mach ja, dass du weiterkommst, und ihr auch, Steven und David.« Stille. Nick gelang es, sich auf Knie und Arme zu stützen. Aus seinem Mund und seiner Nase tropfte Blut. Er hob den Kopf und versuchte durch den Schleier von Blut, Rotz und Tränen seinen Retter zu erkennen.
    Es war ein großer, schlanker Mann in einem beigefarbenen Anzug, der gut zu seinen kastanienbraunen, mit etwas Grau durchsetzten Haaren passte. Er sprach mit leichtem nordenglischen Akzent. Er hatte ein waches, intelligentes Gesicht, bückte sich zu Nick hinunter, die Hände auf den Knien, und blickte den Jungen ausgesprochen ernst an.
    »Hoch mit dir, Dane. Jungs, helft ihm hoch. Macht schon.«
    Nick wurde hochgezerrt. Der große Mann betrachtete ihn einen Moment, dann schüttelte er den Kopf.
    »Also gut, kannst du laufen? Du kommst mit mir. Ihr beiden stützt ihn und der Rest verschwindet. Und sagt den

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