Nicholas Dane (German Edition)
tun?
Bevor sich Toms Nick vornahm, schickte er die anderen fort. Als sie den Saal betraten, ertönten Jubelrufe. Toms blickte zu Nick hinab und nickte.
»Jetzt bist du dran, mein Sohn«, sagte er. Merkwürdigerweise war er in diesen Momenten am freundlichsten. Nick beugte sich vor, legte die Hände auf die Knie und streckte den Hintern raus, wie die anderen Jungen es getan hatten. »Der Anfang ist immer schwer, aber wenn du erst mal weißt, wo der Hammer hängt, wird’s dir leichter fallen«, erklärte ihm Toms. »Und ich will dir was sagen. Wenn ich sehe, dass du dir Mühe gibst, lass ich Milde walten, okay?«
Nick konnte nur nicken.
»Aber heute hast du dir keine Mühe gegeben. Du bist zweimal bei einer Prügelei erwischt worden, Dane. So geht’s nicht. Die anderen haben sechs Hiebe für eine Prügelei bekommen. Was meinst du, wie viele du verdient hast?«
Nick brachte keine Antwort heraus. Er konzentrierte sich darauf, seine Beine vom Zittern abzuhalten.
»Wie viel ist zwei mal sechs, Junge?«, blaffte Toms plötzlich.
»Zwölf, Sir«, krächzte Nick.
Toms antwortete nicht. Er ließ den Stock ein paarmal hin und her sausen, dann schlug er zu.
Nick hatte sich geschworen, keinen Laut von sich zu geben, musste aber trotzdem aufjaulen. Es waren Höllenqualen. Nach jedem Schlag wartete Toms, bis Nick sich gefangen hatte. Die ersten drei Schläge setzte er nebeneinander, aber den vierten ließ er genau da landen, wo der erste getroffen hatte. Nick schrie vor Schmerzen. Beim fünften Schlag nahm er unwillkürlich die Hände nach hinten und wurde auf die Handgelenke getroffen; diesen Schlag wiederholte Toms. Nach dem sechsten machte er eine längere Pause, bevor er weitermachte. Nach dem neunten hörte er auf.
»Jetzt geh mir aus den Augen!«, sagte Toms. Er lehnte sich mit verschränkten Armen an einen Tisch und guckte zu, wie Nick sich aufrappelte, die Nase abwischte und Richtung Tür ging.
»Ist doch immer dasselbe mit den harten Jungs«, bemerkte Toms in seinem Rücken. »Kommen grinsend rein, und wenn sie rausgehen, heulen sie wie kleine Mädchen.«
Nick schluckte die Tränen hinunter und ging durch die Tür in den Saal. Er erwartete höhnische Bemerkungen, aber es kamen keine. Stattdessen wurde er mit noch größerem Jubel als die anderen empfangen, und daran beteiligten sich selbst die Jungen, mit denen er sich noch vor ein paar Stunden geschlagen hatte.
»Mal gucken, ob er Feldwebel oder Oberfeldwebel ist«, rief jemand. Alle stürzten sich auf Nick und überwältigten ihn. Er fuchtelte wie wild mit den Armen, um sie abzuschütteln, aber es waren einfach zu viele. Doch sie wollten ihm nichts Böses. Sie hielten seine Arme und Beine fest und zogen ihm die Hosen runter. Alle bückten sich, um seinen Hintern zu begutachten.
»Mann! Der ist General!«, brüllte jemand. Wieder Jubelgeschrei. Sie ließen ihn los. Nick zog die Hosen hoch und stolperte in eine Ecke, wo er sich fallen lassen konnte. Auf dem Weg dorthin wurde ihm von allen Seiten auf die Schulter geklopft.
»Gut gemacht, Junge.«
»Neun Streifen am ersten Tag – das ist Rekord.«
»General Dane, oder wie?«
Er nickte und versuchte sich ein Grinsen abzuquetschen, konnte aber kaum sprechen. Dann ertönte ein Pfiff und sie durften zu Abend essen.
Toms’ Schläge verschafften ihm ein bisschen Luft – die anderen Jungen ließen ihn für den Rest des Abends in Ruhe. Aber vorbei war es trotzdem nicht. Andrews hatte noch eine Rechnung mit ihm offen. Er war zwar doppelt so breit wie Nick, aber wohl doch ein bisschen unsicher, denn er ließ sich von ein paar Freunden helfen. Sie schlichen sich aus ihren Betten und überfielen Nick im Schlaf. Einer klemmte ihm die Hände über dem Kopf fest, einer presste ihm die Hand auf den Mund, einer hielt die Beine fest und dann schlug ihm Andrews in den Magen, genau dort, wo Toms ihn am Morgen getroffen hatte, fünf-, sechsmal hintereinander.
»Leg dich ja nicht noch mal mit mir an, merk dir das«, zischte ihm Andrews ins Ohr. Nick wand sich lautlos unter dem festen Griff der Jungen, die ihn noch eine Weile hielten und ihm den Mund zupressten, bevor sie ihn endlich losließen. Nick krümmte sich zusammen, rollte zur Seite und erbrach sich ins Bett.
Und am Tag darauf kassierte er wieder Schläge.
In den folgenden Tagen war Nick völlig benommen. Warum geschah das mit ihm? Weil seine Mutter gestorben war. Jede Nacht weinte er. Jeden Morgen fand Toms einen Grund, ihm den Queue über den Kopf oder über
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