Nicholas Dane (German Edition)
darüber hinaus weitere Verletzungen. Entsetzlich! Mr James blickte besorgt zu den beiden Aufsichtsschülern, die hinter dem Schurken standen. Er hoffte, sie waren stark genug, um Dane zu halten, für den Fall, dass der wieder ausrastete. Bei solchen Bestien wusste man nie …
Was jetzt? Brown war im Krankenhaus. Ein Bericht. Arrest. Wieder ein Bericht. Die Polizei. Ein dritter Bericht! Lauter Berichte – und wer musste die alle lesen, wer wohl? Mr James. Drei Berichte für einen Vorfall. Völlig übertriebener Papierkram. Wenigstens konnte er sich auf seinen Freund und seine rechte Hand Tony Creal verlassen, der würde ihm diese vertrackten Berichte schreiben. Wegen dieses einen ekelhaften Schlägers stand die Reputation des ganzes Hauses auf dem Spiel.
»Nun?«, fragte er. »Was hast du zu deiner Rechtfertigung zu sagen?«
Er rechnete nicht mit einer Antwort. Solche Jungen konnten meist kaum sprechen. Ein näselndes Grunzen war das Äußerste, was man erwarten konnte. Aber zu seiner Überraschung erwies sich dieser Junge als ausgesprochen redegewandt – allerdings auf höchst unerfreuliche Weise.
»Ich möchte eine Beschwerde vorbringen, Sir.«
»Eine Beschwerde?« Mr James blickte erstaunt im Raum herum, als erwartete er, dass selbst die Möbel vor Entsetzen zurückwichen. Er war gewarnt worden, dass es dazu kommen könnte, war aber trotzdem verblüfft. Der Junge wollte sich beschweren, nach allem, was er getan hatte! Diese unverschämte Frechheit raubte ihm schier den Atem.
»Ich weiß, dass ich Unrecht getan habe, Sir. Aber hier geschehen Dinge, von denen Sie erfahren sollten.«
»Das ist unglaublich! Was denn zum Beispiel?«, rutschte es Mr James heraus.
»Mr Toms, Sir. Er schlägt die Jungen mit den nackten Fäusten. Und mit einem Billardqueue. Das darf er bestimmt nicht. Und Mr Creal …«
»Mr Creal? Du willst dich über Mr Creal beschweren? Hast du eine Vorstellung davon, wie geachtet dieser Mann ist?«
»Er – er hat versucht mich zu vergewaltigen, Sir.«
»Was?«
»Er hat …«
»Ich habe gehört, was du gesagt hast!«, donnerte Mr James. Wieder blickte er ängstlich zu den Jungen hinter Nick. Das konnte er nicht durchgehen lassen.
»Nicht nur das, Sir, aber er lässt nachts Jungen in seine Wohnung kommen, wenn wir alle im Bett sein sollten, Sir. Das ist doch nicht richtig, oder, Sir?«
»Schluss. Ich habe genug von …«
»Aber darf ich mich denn nicht beschweren, Sir …?«
»Du hast gerade die brutalste Gewalttat begangen, die es je in diesem Haus gegeben hat. Wenn du ein paar Jahre älter wärst, würdest du dafür ins Gefängnis kommen. Glaubst du wirklich, irgendjemand nimmt dir deine erbärmlichen Versuche ab, dich rauszureden? Solche unhaltbaren Vorwürfe gegen einen geachteten Mitarbeiter unserer Einrichtung, einen Mann, der für seine Sorgfalt und Hingabe bekannt ist, einen Mann, der immer willig alle Aufgaben übernimmt, einen Mann …« Mr James, der sich beim Sprechen in eine immer größer werdende Wut hineinsteigerte, erstickte plötzlich an seinem eigenen Zorn und verstummte mit einem heiseren Kehllaut. Er nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas, das vor ihm stand, um sich ein wenig zu beruhigen.
Er hatte solche Anschuldigungen schon früher zu hören bekommen, Verleumdungen um der Verleumdung willen. Es waren immer die miesesten Typen, die so etwas versuchten, und betroffen waren immer die geachtetsten Männer.
»Dane, jetzt ist nicht der Zeitpunkt für irgendwelche Beschwerden«, verkündete er. »Sondern der Zeitpunkt für deine Bestrafung. Wenn deine Strafe vorüber ist, kannst du dich immer noch beschweren, wenn du magst. Aber ich will dir eins sagen! Hör gut zu! Wie viele Beschwerden du auch immer vorbringen wirst, an deiner Situation wird sich nichts ändern – nicht das Geringste. Du machst es dir nur schwerer. Ich habe keinen Zweifel, dass diese lächerlichen Anschuldigungen sich in Luft auflösen werden, so wie in allen Fällen zuvor, als andere Jungen solches vorgebracht haben. Und ich warne dich, Dane – hör gut zu! Ich warne dich! Wenn du der Meinung bist, deinen fiesen kleinen Plan weiterverfolgen und damit die Reputation eines Mannes aufs Spiel setzen zu können, der nur Gutes für dich und Hunderte anderer Jungen getan hat, die durch diese Einrichtung hindurchgegangen sind, wird nicht er es sein, der darunter leidet. Deine kleine Schreckensgeschichte wird sich als ein Netz aus Unterstellungen und Lügen erweisen, die du nur deswegen in
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