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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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verabscheute, dann waren es Angriffe auf Schwächere. In Meadow Hill gab es viele Schlägereien, aber dieser Fall war ein besonders schwerer. Berichte mussten verfassst werden. Ein viel, viel größerer Junge war auf einen jüngeren, kleineren losgegangen. Man hätte diesen Dane ohne weiteres wegen eines tätlichen Angriffs anzeigen können, vielleicht wegen Körperverletzung oder sogar wegen schwerer Körperverletzung. Sein Opfer war so schwer verletzt, dass es ins örtliche Krankenhaus gebracht werden musste. Das bedeutete noch mehr Berichte! Ungeheuerlich.
    Wenn Mr James etwas noch mehr verabscheute als Angriffe auf Schwächere, dann waren es Berichte über Angriffe auf Schwächere. Weil so etwas in Meadow Hill eigentlich auf gar keinen Fall vorkommen durfte.
    Der Junge hatte erst mal anderthalb Tage Arrest bekommen, bei Wasser und Brot. Sein einziger Besucher war Mr Creal gewesen – wenn jemand zu ihm durchdringen konnte, dann Mr Creal. Aber der berichtete, der Übeltäter sei fern von jeder Reue. Habe sogar ihm selbst gedroht. Unglaublich. Natürlich nicht mit Gewalt, das nicht – der Junge war nicht so dumm, jemanden anzugreifen, der stärker war als er –, sondern mit Anschuldigungen.
    »Das ist ein ganz durchtriebener Bursche«, hatte Tony Creal gemeldet. »Er sagt zwar, es tue ihm leid, dass er den kleinen Oliver Brown verprügelt hat, aber dabei kann ich nicht die Spur von echter Reue entdecken. Ich fürchte, das ist leeres Gerede. Aber er droht, wenn wir die Sache weiterverfolgen, würde er unsere Mitarbeiter wegen aller nur denkbaren Formen von Missbrauch anzeigen.«
    »Missbrauch? Hier? Was für Missbrauch?«, hatte Mr James kopfschüttelnd gefragt.
    »Er behauptet, unsere Mitarbeiter würden Gewalt ausüben. Und auch sexuellen Missbrauch betreiben …«
    »Das denkt der sich natürlich alles nur aus!«
    »Ja, natürlich. Aber er könnte uns trotzdem jede Menge Ärger machen. Sie wissen doch, irgendwas bleibt immer hängen.«
    »Und die Polizei würde hier herumstöbern«, hatte Mr James gestöhnt. Es würde höllenschwer sein, die Polizei davon zu überzeugen, dass sie mit dem kleinen Monster hier im Heim schon allein fertigwürden. Der zuständige Polizeiinspektor hatte unmissverständlich zu verstehen gegeben, er werde die Justiz einschalten, falls es noch einmal zu einem so heftigen Ausbruch von Gewalt komme.
    »Das können wir nun gar nicht brauchen«, hatte ihm Tony Creal zugestimmt. »Denken Sie nur an den ganzen Papierkram … Denken Sie an unseren guten Ruf, der Schaden nehmen könnte …«
    Mr James blickte durch seine Brille auf den Jungen, der vor ihm stand. Der Anblick verursachte ihm buchstäblich Übelkeit – obwohl die Übelkeit möglicherweise auch damit zusammenhing, dass er am Morgen darauf verzichtet hatte, eine der kleinen blauen Pillen seiner Frau zu nehmen. Das Valium war auch ihm in schwierigen Tagen ein verlässlicher Freund, doch es machte ihn immer ein bisschen wirr, und das wollte er lieber nicht riskieren, wenn ihn Leute von der Polizei, vom Jugendamt und wer weiß wer noch alles am Telefon zu sprechen wünschten.
    Nicholas Dane. Ein Verbrecher, ein Monster, keine Frage. Der Junge war von Kopf bis Fuß voller Blutergüsse, ein Resultat all der Schlägereien, in die er in den letzten Wochen verwickelt gewesen war. Offensichtlich fast jeden Tag. Mr James schnaubte angewidert. Dane war nicht mal ein besonders tüchtiger Kämpfer, wenn man die Verfärbungen seines Gesichtes zum Maßstab nahm.
    »Wie viel jünger war denn sein Opfer?«, fragte er die beiden Aufsichtsschüler, die das Monster bewachten.
    »Zwei Jahre. Der ist einer von den ganz Kleinen, Sir«, antwortete Andrews, dem es richtig Freude machte, Nick ans Messer zu liefern. »Und Oliver ist ein guter Junge, Sir. Alle mögen ihn.«
    Das war eine so dreiste Lüge, dass Nick sich umdrehte und Andrews anstarrte, aber Mr James nahm es für bare Münze.
    »Was bist du nur für ein widerlicher Kerl, Dane!«, rief er. »Ein Schläger und ein Feigling. Abscheulich, Dane. Du bist abscheulich, Dane. Du hast mich enttäuscht, du hast diesem Jungen geschadet, vor allem aber hast du dir selbst geschadet. Guck dich doch an«, fuhr er fort. »Du hast die Gelegenheit für einen neuen Anfang bekommen, und nun das. Und dieser Junge soll sogar ein Freund von dir gewesen sein. Unglaublich.« Er blickte auf den Bericht auf seinem Schreibtisch und schüttelte den Kopf. Brown hatte eine gebrochene Rippe, eine gebrochene Nase und

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