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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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waren, oder er könnte die Schicht einfach abhaken und nach Hause ins Bett gehen.
    Er klopfte aufs Lenkrad und starrte hinaus in den Regen. Seine Frau würde enttäuscht sein, wenn er mit so wenig Geld ankäme. War er ja selbst. Er stellte das Radio an und lehnte sich zurück. Vielleicht hörte es bald auf zu regnen. Er würde erst mal warten, bis das Gröbste vorbei war, und dann weitersehen.
    Auf der anderen Straßenseite hockten Nick und Davey unter einem Ligusterbusch auf toten Blättern und überlegten, was sie tun sollten.
    »Wir könnten ihn fragen, ob er uns zu meiner Mutter bringt«, sagte Davey. »Und die bezahlt dann, wenn wir da sind. Die kann doch nich Nein sagen, oder?«
    »Er wird Nein sagen.«
    »Fragen können wir.«
    »Der wird uns anzeigen, dann wissen die, wo wir sind.«
    »Die wissen sowieso, dass wir irgendwo hier sind. Wenn er Nein sagt, machen wir die Flocke.«
    Nick blickte hinüber zu dem Taxi. Es war keine gute Idee, das wusste er. Aber was blieb ihnen denn anderes übrig? Der Taxifahrer machte nicht den Eindruck, als müsste er dringend irgendwohin. Wenn sie jetzt losrannten, würde er sie sowieso entdecken. Im Taxi schien es schön warm zu sein – das Licht war hell und freundlich. Der Fahrer saß einfach da. Es war unglaublich verlockend.
    Nick war so durchgefroren, dass er nicht einmal mehr mit den Zähnen klapperte. Irgendwas mussten sie tun.
    »Na gut, dann los«, sagte er.
    Davey stand auf und ging als Erster über die Straße.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte der Taxifahrer eine Bewegung, wandte den Kopf und schrie vor Schreck auf. Eine fahle Gestalt schwebte im strömenden Regen über die Straße – sie schwebte im wahrsten Sinne des Wortes, die Füße ein paar Zoll über dem Boden. Und – o Gott – sie kam direkt vom Kirchhof! Ein Geist? Ein Engel des Herrn? Was war das? Und aus den Büschen erhob sich eine zweite Gestalt. Beide strebten direkt auf ihn zu.
    O heilige Maria, Muttergottes. Oh. Gott.
    Er bekreuzigte sich – was er seit fünfzehn Jahren nicht getan hatte, seit er aus der Schule war – und drehte den Zündschlüssel. Er wollte gerade losfahren, als ihm klar wurde, dass es keine Erscheinungen waren, sondern zwei Jungen in Schlafanzügen. Ach, du Scheiße! Das war mindestens genauso schlimm. Jungen in Schlafanzügen, die mitten im strömenden Regen über die Straße schwebten? Misstrauisch blickte er hinunter auf ihre Füße. Der Regen prasselte so heftig auf die Straße, dass die Tropfen abprallten und kleine Fontänen bildeten. Im schwachen Lampenschein sahen die beiden Jungen mit ihren hellen, triefenden Gesichtern und Haaren, in ihren hellen, durchnässten Sachen wirklich aus wie zwei Geister.
    Plötzlich lachte er auf.
    »Das gibt’s doch nicht!«
    Die Jungen waren nasser als jeder andere Mensch im Schlafanzug, den er je gesehen hatte. Tropfnass. Blau vor Kälte, wie Leichen. Einer der beiden, der Kleinere, kam zum Auto, beugte sich runter und blickte voller Hoffnung ins Wageninnere. Er sah aus wie eine abgesoffene Ratte. Nein, korrigierte sich der Fahrer, keine Ratte. Ein Schwein. Ein hässliches kleines Tier.
    Er ließ die Fensterscheibe runter.
    Einen Augenblick später schoben sich die beiden Jungen auf die Rückbank. Der Fahrer hatte ein paar Zeitschriften untergelegt, damit die Sitze trocken und sauber blieben – er hatte das Blut an Nicks Hintern bemerkt, mal abgesehen von den Holzstückchen, den Blättern, der Erde und dem übrigen Dreck an den Füßen und Schlafanzughosen. Die ganze Welt da draußen bestand aus Schlamm, und diese beiden hatten jede Menge davon an sich kleben.
    »Ich wollte sowieso zurück, also von mir aus. Ihr seid abgehauen, das ist ja wohl klar. Kein Ding – mein Bruder war auch in so ’nem Laden, der wär auch abgehauen, bloß hatte der ’n verkrüppelten Fuß, der war lahm, also, der konnte gar nich abhauen. Seine Kumpels aber, die schon, jedenfalls ’n paar. Sind aber alle wieder eingefangen worden.«
    »D-d-danke«, stotterte Nick. Der Fahrer hatte die Heizung aufgedreht, und die pustete ihnen Wellen warmer Luft zu. Langsam tauten die Jungen auf und fingen sofort wieder an zu zittern.
    Der Fahrer lachte über Nicks klappernde Zähne. »Hab gedacht, ihr zwei seid solche Scheißengel, die mir sagen wollen, ich soll mein Leben ändern. Mann, bin ich froh! Aber echt ma, ihr wärt wirklich bald Geister gewesen, wenn ihr mich nicht gefunden hättet, nich? Wer haut denn in so ’ner Nacht ab! Hier – passt mir auf, dass

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