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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Trockenes.
    Konnte man mitten in Manchester den Kältetod sterben? Im Sommer?
    »Guck mal, die ganzen Häuser«, stöhnte Davey. »Innen isses bestimmt schön warm …«
    »Und draußen isses eiskalt.« Nicks Zähne ratterten wie eine kleine Schnarrtrommel. Wenn sie nicht bald ins Warme kämen, würden sie sterben wie im Regen ausgesetzte junge Katzen.
    Flüsternd überlegten sie. Manchester im Juli unterschied sich nicht sehr von einem Schneesturm in den Bergen. Ihre Füße bluteten. Nicks Hintern blutete – er fühlte nichts mehr, aber das lag nur an der Kälte. Sie hatten keinen Schutz, keinen Unterschlupf und sie froren immer mehr. Nicht mal eine Stunde waren sie in Freiheit und schon völlig verzweifelt.
    Der Regen, der für eine Weile nachgelassen hatte, nahm wieder Schwung auf. Der Wind pfiff. Beide Jungen liefen regelrecht blau an.
    »Wir müssen irgendwo einbrechen«, sagte Nick. »Klamotten klauen oder so. Irgendwas.«
    Aber wo? Zwar schliefen die Bewohner der Häuser, aber die Jungen wussten, wie schnell sie aufwachen konnten.
    Sie verwarfen den Gedanken und rannten weiter, nur um etwas zu tun. Dann entdeckten sie schließlich eine Kirche. Das war perfekt – zumindest hätten sie dort ein Dach über dem Kopf. Sie liefen über die Straße, durch das große Holztor, einen Pfad entlang bis zum hohen Bogen des Portals. Es war verschlossen. Sie rüttelten an der Klinke und rannten um die Kirche herum, suchten nach einem anderen Eingang, aber das Gebäude war gut gesichert gegen jeden, der Schutz suchte. Nur im Torbogen waren sie vor Wind und Regen geschützt.
    »Danke, lieber Gott«, knurrte Davey. Er lehnte sich an die Wand, schlang die Arme um sich und schüttelte den Kopf wie ein Hund, um auf diese Weise etwas Wärme in seinen Körper zu bekommen. Er deutete mit dem Kopf auf die Wiese mit den Gräbern. »Die da unten haben’s schön warm, nich?«, sagte er.
    »Bestimmt. Na ja, wenn wir nicht bald was Warmes finden, dann werden wir rausfinden, ob’s stimmt. Komm.« Nick stieß sich von der Wand ab, aber Davey hielt ihn zurück.
    »Warte noch, ich brauch ’ne Pause«, stöhnte er. »Hier sind wir wenigstens windgeschützt.«
    »Das bringt nichts. Wir müssen uns aufwärmen.« Nick rubbelte über seinen Handrücken, der taub war vor Kälte.
    Langsam wurde ihm mulmig.
    Sie verließen den regennassen Friedhof und gelangten wieder zur Hauptstraße, wo um diese Zeit, bei diesem Wetter wenig Verkehr war. Es gab eine Reihe Läden – eine Frittenbude, einen Friseur, einen Zeitungsladen, einen Supermarkt. In eins der Geschäfte wollten sie einbrechen. Sie versteckten sich im Schatten der Kirchhofmauer, begutachteten die Fensterfronten und überlegten, wo sie am besten reinkämen.
    »Und wo wir was zu futtern finden, wenn wir erst mal drin sind«, sagte Davey.
    Als Erstes erwogen sie den Imbiss. Ihnen war so kalt, dass ihre Hirne nicht richtig funktionierten, und sie brauchten eine Weile, bis ihnen klar wurde, dass sie dort jetzt, mitten in der Nacht, weder Fisch noch Fritten vorfinden würden.
    »Außer du stehst auf rohen Fisch und rohe Kartoffeln«, sagte Nick.
    Sie waren hin- und hergerissen zwischen dem Supermarkt und dem Zeitungsladen, da fuhr ein Taxi vor. Die Innenbeleuchtung ging an. Auf dem Rücksitz saß ein Paar. Sie zahlten, sprangen hinaus in den Regen, nahmen zwei Koffer aus dem Kofferraum und rannten zu einer Tür zwischen den Geschäften. Einen Augenblick später ging in einer Wohnung über der Ladenzeile Licht an. Der Taxifahrer blieb einfach in seinem Auto sitzen, starrte in den Regen und rührte sich nicht.
    Die Jungen steckten in der Falle. Sobald sie die Schatten der Friedhofsmauer verließen, würde er sie entdecken.
    »Was soll das? Warum haut der nich ab?«, wollte Davey wissen. Solange er dort blieb, konnten sie nichts machen. Sie drückten sich an die Mauer und warteten, dass das Taxi losfuhr. Der Regen prasselte immer stärker herunter, peitschte in Strömen über die Straße.
    Der Fahrer hatte eine späte Tour vom Flughafen in die Stadt gemacht und wusste nun nicht, was er tun sollte. Um diese Zeit war nicht mehr viel los. Es war zwei Uhr morgens, und auch wenn Freitagnacht war – bei dem Regen würden nicht viele draußen rumlaufen und ein Taxi suchen. Er überlegte, ob er nach Hause fahren sollte. Er saß da und überprüfte seine Einnahmen. Nicht viel. Er seufzte. Entweder musste er zurück zum Flughafen und sich hinter all den Fahrern anstellen, die auf dieselbe Idee gekommen

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