Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
eine der Töchter der Echidna, einer der hinterhältigsten Erstgewesenen, gemieden und gefürchtet von ihrer eigenen Rasse, selbst von den Dunklen Älteren. Perenelle fragte sich, wem genau Dee diente.
Die Sphinx drückte das schöne Gesicht gegen die Stäbe. Die lange Zunge tastete sich aus ihrem Mund, schmeckte die Luft und berührte fast Perenelles Lippen. »Muss ich dich daran erinnern, Perenelle Flamel«, fragte sie in der Sprache, die vor Jahrtausenden am Nil gesprochen wurde, »dass es zu den besonderen Fähigkeiten meiner Familie zählt, Aura-Energie aufzusaugen?« Sie schlug mit den gewaltigen Flügeln, die fast den gesamten Flur ausfüllten. »In meiner Gegenwart verfügst du über keinerlei magische Kräfte.«
Perenelle lief es eiskalt über den Rücken, als sie erkannte, wie klug Dee war. Sie war eine vollkommen machtlose Gefangene auf Alcatraz, und sie wusste, dass noch niemand die Flucht von dem berüchtigten Felsen überlebt hatte.
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
D ie Türglocke bimmelte, als Nicholas Flamel die Ladentür öffnete und dann zur Seite trat, um einer älteren, ziemlich gewöhnlich aussehenden Frau in grauer Bluse und grauem Rock den Vortritt zu lassen. Sie war klein und rundlich und das dauergewellte Haar schimmerte leicht bläulich. Nur die übergroße Brille mit den dunklen Gläsern, die einen Großteil ihres Gesichts verdeckte, unterschied sie von anderen Frauen in ihrem Alter. In der rechten Hand hielt sie einen zusammengeschobenen weißen Teleskopstock, an dem Sophie und Josh sofort erkannten, dass sie blind war.
Flamel räusperte sich. »Darf ich vorstellen…« Er hielt inne und schaute die Frau an. »Entschuldigen Sie, wie darf ich Sie nennen?«
»Nenn mich Dora, wie alle anderen auch.« Sie sprach Englisch mit einem deutlichen New Yorker Akzent. »Scathach?«, fragte sie plötzlich. »Scathach!« Dann ging es weiter in einer Sprache, die hauptsächlich aus Zischlauten zu bestehen schien… und die Sophie verstand, wie sie überrascht feststellte.
»Sie will wissen, warum Scatty sie in den vergangenen dreihundertzweiundsiebzig Jahren, acht Monaten und vier Tagen nicht besucht hat«, übersetzte sie für Josh. Sie hatte nur Augen für die alte Frau und sah nicht die Angst und den Neid, die kurz in der Miene ihres Bruders aufflackerten.
Die alte Dame bewegte sich schnell und mit großer Sicherheit in dem vollgestellten Raum, drehte den Kopf von rechts nach links, ohne Scatty je direkt anzusehen. Dann redete sie, anscheinend ohne Atem zu holen, weiter.
»Sie sagt Scatty, dass sie hätte sterben können, ohne dass es jemand gemerkt hätte. Oder traurig gewesen wäre. Erst im letzten Jahrhundert war sie schwer krank und keiner hat angerufen, keiner geschrieben…«
»Gran…«, begann Scatty.
»Hör mir auf mit dem Granny-Quatsch«, meinte Dora wieder auf Englisch. »Du hättest schreiben können, egal in welcher Sprache. Du hättest anrufen können…«
»Du hast doch gar kein Telefon!«
»Und was hast du gegen eine E-Mail oder ein Fax?«
»Hast du denn einen Computer oder ein Faxgerät, Gran?«
»Nein. Wozu sollte ich so etwas brauchen?« Dora machte eine schnelle Bewegung mit der Hand und der weiße Stock entfaltete sich mit einem Ruck zu seiner vollen Länge. Sie tippte auf einen einfachen, viereckigen Spiegel. »Hast du so einen?«
»Ja, Gran«, antwortete Scatty kläglich. Sie war knallrot geworden vor Verlegenheit.
»Dann hattest du also nicht einmal Zeit, in einen Spiegel zu gucken und mit mir zu reden? Hast du so viel zu tun? Ich musste von deinem Bruder hören, wie es dir geht. Und wann hast du das letzte Mal mit deiner Mutter gesprochen?«
Scathach drehte sich zu den Zwillingen um. »Das ist meine Großmutter, die legendäre Hexe von Endor. Gran, das sind Sophie und Josh. Nicholas Flamel kennst du ja bereits.«
»Ja, ein sehr netter Mensch.« Die Hexe drehte unablässig den Kopf hin und her und ihre Nasenflügel bebten. »Zwillinge«, sagte sie schließlich.
Sophie und Josh schauten sich an. Woher wusste sie das? Sie waren keine eineiigen Zwillinge… Hatte Nicholas es ihr erzählt?
Irgendetwas an der Art und Weise, wie die Frau ständig den Kopf hin- und herbewegte, weckte Joshs Neugier. Er versuchte, ihrer Blickrichtung zu folgen… Und dann merkte er, weshalb ihr Kopf ununterbrochen in Bewegung war: Sie musste sie durch die Spiegel sehen. Automatisch drückte er kurz die Hand seiner Schwester und zeigte auf den nächsten Spiegel. Sie warf einen Blick darauf,
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