Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
wiederholte sie, »bitte.«
»Ich habe dir erzählt, dass ich das bin, was ihr Humani einen Vampir nennt…«
»Du wirst nicht von ihrem Blut trinken!«, schrie Josh entsetzt. Allein bei dem Gedanken wurde ihm schlecht.
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass mein Clan kein Blut trinkt.«
»Mir ist es egal, was du sagst…«
»Josh!« Sophie war wütend, und in ihrem Zorn leuchtete ihre Aura kurz auf, sodass ein Duft nach Vanille durch den Laden zog. Ein paar gläserne Windspiele begannen in einer nicht spürbaren Brise zu klimpern. »Josh, bitte sei still.« Dann wandte sie sich wieder an Scatty. »Was soll ich tun?«
»Gib mir deine rechte Hand.«
Sofort streckte Sophie sie ihr hin und Scatty ergriff sie mit beiden Händen. Dann legte sie ihre linke Hand an Sophies rechte, Daumen an Daumen, Zeigefinger an Zeigefinger, kleiner Finger an kleinen Finger. »Blutsaugende Vampire sind die schwächsten, müsst ihr wissen, sie stehen ganz unten. Hast du dich je gefragt, warum sie Blut trinken? Eigentlich sind Vampire ja tot – ihre Herzen schlagen nicht und sie müssen nicht essen. Das Blut stellt also keine Nahrung für sie dar.«
»Bist du tot?« Sophie stellte die Frage, die auch ihrem Bruder auf der Zunge lag.
»Nein, nicht wirklich.«
Josh schaute in die Spiegel, aber er sah Scattys Spiegelbild ganz deutlich. Sie ertappte ihn dabei und lächelte. »Du musst den Unsinn von Vampiren, die kein Spiegelbild haben, nicht glauben. Natürlich haben wir eines. Wir sind schließlich nicht aus Luft.«
Josh beobachtete ganz genau, wie Scathach ihre Finger an die seiner Schwester drückte. Zunächst geschah gar nichts. Dann sah er in einem Spiegel hinter Scatty einen silbernen Schein und Sophies Hand schimmerte in einem bleichen, silbernen Licht.
»Die Familie, der ich angehöre, der Vampir-Clan«, fuhr Scatty leise fort, den Blick auf Sophies Hand gerichtet, »entstammt der nächsten Generation.«
Im Spiegel sah Josh, dass das silberne Licht um Sophies Hand sich zusammenballte.
»Wir sind keine Erstgewesenen. Wir alle, die wir nach dem Untergang von Danu Talis geboren wurden, waren ganz anders als unsere Vorfahren. Wir waren auf unbegreifliche Art einfach anders .«
»Du hast Danu Talis schon öfter erwähnt«, sagte Sophie schläfrig. »Was ist es, ein Ort?« Ein warmes, beruhigendes Gefühl kroch ihren Arm hinauf, nicht wie Ameisen, sondern sanft prickelnd und angenehm.
»Zur Zeit des Älteren Geschlechts war es der Mittelpunkt der Welt. Danu Talis war ein Inselkontinent und von ihm aus regierten die Erstgewesenen die Welt. Er reichte von dem, was heute die Küste Afrikas ist, bis nach Nordamerika und in den Golf von Mexiko.«
»Ich habe nie von Danu Talis gehört«, flüsterte Sophie.
»Hast du wohl«, meinte Scatty. »Die Kelten nannten den Kontinent die De-Dannan-Insel. In der modernen Welt ist er unter dem Namen Atlantis bekannt.«
Josh sah im Spiegel, dass Sophies Hand jetzt silberweiß glühte. Es sah aus, als trüge sie einen Handschuh. Winzige silbrig glitzernde Ranken legten sich wie kunstvoll gefertigte Ringe auch um Scattys Finger. Die Kriegerprinzessin zitterte leicht.
»Danu Talis wurde auseinandergerissen«, fuhr sie fort, »weil die Herrschenden Zwillinge – Sonne und Mond – auf der Spitze der Großen Pyramide gegeneinander kämpften. Die ungeheuren magischen Kräfte, die sie freisetzten, brachten das Gleichgewicht der Natur durcheinander. Man hat uns gesagt, dass dieselbe ungezügelte Magie in der Atmosphäre auch die Veränderungen in der nächsten Generation bewirkte. Einige von uns wurden als Monster geboren, andere sind irgendwo in ihrer Entwicklung stecken geblieben, einige besaßen die außergewöhnliche Fähigkeit der Transformation und konnten sich nach Belieben in Tiere verwandeln. Wieder andere – es waren die, die schließlich den Vampir-Clan bildeten – stellten fest, dass sie nicht in der Lage waren zu fühlen.«
Josh schaute Scathach aus zusammengekniffenen Augen an. »Was meinst du mit fühlen ?«
Scathach lächelte ihn an. Ihre Zähne erschienen plötzlich sehr lang. »Wir hatten kaum oder gar keine Emotionen. Uns fehlte die Fähigkeit, Angst zu empfinden, Liebe zu erfahren, Glück und Freude zu genießen. Die besten Krieger kennen nicht nur keine Angst, sie sind auch ohne Zorn.«
Josh stand auf und ging ein paar Schritte. Er atmete tief durch. Er hatte schon Krämpfe in den Beinen und seine Zehen kribbelten. Aber er musste auch Abstand zu dem Vampir haben. Jetzt
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