Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Fahrerseite hinunter, damit frische Luft in den Wagen kam. »Ich kann natürlich eine Nachrichtensperre verhängen und sagen, es gehe um die Sicherheit des Landes, aber das hier ist eigentlich schon zu öffentlich und zu offensichtlich und ein Riesenschlamassel.« Er seufzte. »Wahrscheinlich haben sie schon ein Video von Nidhogg ins Internet gestellt.«
»Die Leute werden denken, es sei ein dummer Scherz«, erwiderte Dee zuversichtlich. »Damals, als Bigfoot vor die Kameras gelaufen ist, dachte ich auch, wir hätten ein Problem. Aber die Geschichte wurde bald als Jux abgetan. Eines habe ich im Lauf der Jahre gelernt, nämlich dass die Humani Meister im Ignorieren sind, selbst wenn sich etwas direkt unter ihrer Nase abspielt. Seit Jahrhunderten leugnen sie unsere Existenz und das Wirken des Älteren Geschlechts tun sie trotz einer Fülle an Beweisen als bloße Legende ab. Außerdem«, fügte er selbstgefällig hinzu und strich sich dabei über seinen Spitzbart, »fügt sich bald alles zusammen. Wir haben den größten Teil des Buches. Sobald wir auch noch die letzten beiden Seiten haben, holen wir die Älteren zurück und versetzen die Welt wieder in den ihr gemäßen Zustand.« Er wedelte abschätzig mit der Hand. »Über solche Kleinigkeiten wie die Presse brauchst du dir dann keine Gedanken mehr zu machen.«
»Du scheinst zu vergessen, dass wir noch andere Probleme haben, wie zum Beispiel den Alchemysten und Perenelle. Sie sind keine Kleinigkeiten.«
Dee zog sein Handy aus der Tasche und schwenkte es durch die Luft. »Oh, das ist bereits geregelt. Ich habe einen Anruf getätigt. Ich habe getan, was ich eigentlich längst hätte tun sollen.«
Machiavelli schaute den Magier von der Seite an, sagte aber nichts. Er wusste, dass Leute oft nur redeten, um keine Pause in der Unterhaltung aufkommen zu lassen, und Dee gehörte zu den Menschen, die sich äußerst gern reden hörten.
John Dee blickte durch die schmutzige Windschutzscheibe hinunter auf die Seine. Ein paar Meilen flussabwärts, gleich hinter der Biegung, würde die gewaltige gotische Kathedrale Notre Dame langsam im frühen Licht des Morgengrauens Gestalt annehmen. »Vor fast fünfhundert Jahren bin ich Nicholas und Perenelle hier in Paris zum ersten Mal begegnet. Ich war ihr Schüler. Das hast du nicht gewusst, oder? Das steht nicht in deinen legendären Akten. Oh, jetzt schau nicht so überrascht.« Er lachte über Machiavellis verblüfften Gesichtsausdruck. »Ich weiß seit vielen Jahren von deinen Datenbanken. Und meine Kopien sind sogar noch aktueller«, fügte er hinzu. »Aber ich bin bei dem berühmten Alchemysten in die Lehre gegangen, hier in dieser Stadt. Und mir war schon nach sehr kurzer Zeit klar, dass Perenelle mächtiger – und gefährlicher – ist als ihr Mann. Hast du sie je kennengelernt?«, fragte er unvermittelt.
»Ja, habe ich.« Machiavelli räusperte sich und versuchte, sein Entsetzen darüber zu verbergen, dass die Älteren – oder war es nur Dee? – von seinen geheimen Akten wussten. »Ja, ein Mal habe ich sie getroffen. Es gab einen Kampf. Sie hat gewonnen«, berichtete er lapidar. »Sie hat mich ziemlich beeindruckt.«
»Sie ist eine ganz außergewöhnliche Frau; sehr bemerkenswert. Schon zu ihren eigentlichen Lebzeiten hatte sie einen beachtlichen Ruf. Was sie nicht alles hätte erreichen können, wenn sie sich nur auf die richtige Seite geschlagen hätte. Ich weiß gar nicht, was sie an dem Alchemysten findet.«
»Die Fähigkeit der Menschen zu lieben hast du nie verstanden, wie?«, fragte Machiavelli leise.
»Ich verstehe, dass Nicholas dank der Zauberin am Leben ist und es ihm gut geht. Um Nicholas zu vernichten, müssen wir nur Perenelle umbringen. Mein Meister und ich wissen das schon lange, aber wir dachten, wenn wir sie uns beide zusammen schnappen könnten, wäre ihr gemeinsames Wissen das Risiko wert, sie am Leben zu lassen.«
»Und jetzt?«
»Jetzt ist es das Risiko nicht mehr wert.« Und sehr leise fügte Dee hinzu: »Heute Nacht habe ich etwas getan, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen.« Es klang fast wehmütig.
»John!« Mit einem Ruck fuhr Machiavelli herum, damit er den englischen Magier anschauen konnte. »Was hast du getan?«
»Ich habe die Morrigan nach Alcatraz geschickt. Perenelle wird das Morgengrauen nicht mehr erleben.«
K APITEL A CHTUNDDREISSIG
A m Ufer der Seine holte Josh das Ungeheuer endlich ein.
Er wusste nicht, wie weit er gelaufen war – etliche Meilen wahrscheinlich
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