Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
aufpasse, regelmäßig trainiere und mich gesund ernähre, können es noch einmal zweitausend Jahre werden.« Ihr Lächeln verschwand. »Aber ich bin nicht unverwundbar und auch nicht unbesiegbar. Ich kann getötet werden.« Sie sah den erschrockenen Ausdruck auf Sophies Gesicht und drückte ihren Arm. »Aber das wird nicht passieren. Soll ich dir sagen, wie viele Humani, Unsterbliche, Ältere, Wer-Geschöpfe und Monster aller Art schon versucht haben, mich umzubringen?«
Sophie schaute sie erwartungsvoll an.
»Na ja, so genau weiß ich das, um ehrlich zu sein, gar nicht. Aber bestimmt Tausende. Vielleicht sogar Zehntausende. Und es gibt mich immer noch. Was sagt dir das?«
»Dass du gut bist?«
»Ha! Dass ich besser als gut bin. Ich bin die Beste. Ich bin die Kriegerin.« Scathach blieb stehen und schaute in das Schaufenster einer Buchhandlung, doch als sie sich wieder umdrehte, sah Sophie, dass ihre grünen Augen hierhin und dorthin spähten und die Umgebung absuchten.
Sophie widerstand der Versuchung, sich umzudrehen, und fragte stattdessen im Flüsterton: »Werden wir verfolgt?« Sie war selbst überrascht, als sie merkte, dass sie kein bisschen Angst hatte. Instinktiv wusste sie, dass ihr, solange sie bei Scathach war, nichts passieren würde.
»Nein, ich glaube nicht. Nur eine alte Gewohnheit.« Scathach lächelte. »Eine von denen, die mich jahrhundertelang am Leben gehalten haben.« Sie ging weiter und Sophie hakte sich bei ihr unter.
»Als wir dich kennengelernt haben, hat Nicholas verschiedene Beinamen von dir genannt …« Sophie runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern, wie er Scathach vor zwei Tagen in San Francisco vorgestellt hatte. »Er hat dich Kriegerprinzessin genannt, die Schattenhafte, Dämonenschlächterin, Königsmacherin.«
»Das sind nur Namen«, wehrte Scathach verlegen ab.
Sophie ließ nicht locker. »Für mich klingen sie aber nach mehr als nur Namen. Sie klingen wie Titel … Titel, die du dir ver dient hast?«
»Na ja, ich hatte schon viele Namen«, erwiderte Scathach.
»Solche, die meine Freunde mir gegeben haben, und andere, die meine Feinde sich für mich ausdachten. Zuerst war ich die Kriegerprinzessin, dann wurde ich die Schattenhafte, weil ich mich gut tarnen kann. Ich war die Erste, die Tarnkleidung perfektioniert hat.«
»Du hörst dich an wie eine Ninja«, lachte Sophie. Während sie Scathach zuhörte, schossen ihr Bilder aus der Erinnerung der Hexe durch den Kopf, und sie wusste, dass Scatty die Wahrheit sagte.
»Ich habe versucht, Ninjas auszubilden, aber sie waren gar nicht so gut, glaub mir. Zur Dämonenschlächterin wurde ich, nachdem ich Raktabija getötet hatte, und Königsmacherin hat man mich genannt, als ich Arthur auf den Thron geholfen habe.« Beim letzten Teil der Aufzählung war ihre Stimme hart geworden und sie schüttelte den Kopf. »Das war ein Fehler. Und nicht mein erster.« Sie lachte, doch es kam zittrig und gezwungen heraus. »Ich habe eine Menge Fehler gemacht.«
»Mein Dad sagt immer, dass man aus seinen Fehlern lernen kann.«
Scatty lachte bellend. »Ich nicht.« Es gelang ihr nicht, die Bitterkeit in ihrer Stimme zu verbergen.
»Du hast es wohl ziemlich schwer gehabt im Leben«, vermutete Sophie leise.
»Das kann man so sagen«, bestätigte die Kriegerin.
»Hast du je …« Sophie zögerte, wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. »Hast du je … einen Freund gehabt?«
Scathach schaute sie kurz mit zusammengekniffenen Augen an, dann wandte sie sich ab und blickte in ein Schaufenster. Einen Moment lang dachte Sophie, sie würde die Auslagen betrachten, doch dann merkte sie, dass Scatty ihr eigenes Spiegelbild in der Scheibe anschaute. Was sie wohl sah?
»Nein«, gab Scatty schließlich zu, »es hat nie so jemanden gegeben. Jemand Besonderes.« Sie lächelte mit zusammengepressten Lippen. »Die Älteren fürchten und meiden mich. Und ich versuche, den Humani nicht zu nahe zu kommen. Es tut zu weh, zuzusehen, wie sie alt werden und sterben. Das ist der Fluch der Unsterblichkeit: zuschauen zu müssen, wie die Welt sich verändert, wie alles, was man kennt, vergeht. Denk daran, Sophie, wenn sie dir jemand zum Geschenk machen möchte, die Unsterblichkeit.« So wie sie es sagte, klang das letzte Wort wie ein Fluch.
»Es hört sich wirklich einsam an«, meinte Sophie vorsichtig. Sie hatte vorher nie darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, unsterblich zu sein – weiterzuleben, während alles Vertraute sich ändert und alle,
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