Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
nach dem Ursprung des Lärms.
Mit einem eisigen Lächeln schwang Perenelle die Beine wieder auf die Pritsche, legte sich hin und bettete den Kopf auf die verschränkten Hände. Die Insel Alcatraz gehörte Juan Manuel de Ayala, und wie es aussah, kündigte er sein Kommen an. Perenelle hörte Zellentüren klappern und Holz gegen Stein schlagen und wusste, was aus de Ayala geworden war: ein Poltergeist.
Sie wusste auch, was de Ayala tat. Die Sphinx holte sich ihre Kraft aus Perenelles magischer Energie; der Poltergeist brauchte sie nur eine Weile von der Zelle fernzuhalten, damit Perenelles Energiespeicher sich wieder aufladen konnten. Sie hob die linke Hand und konzentrierte sich. Ein winziger schneeweißer Funke sprang zwischen ihren Fingern hin und her und erlosch dann wieder.
Bald.
Bald.
Perenelle, die Zauberin, ballte die Hand zur Faust. Sobald sie ihre Kraft zurückhatte, würde sie dafür sorgen, dass der Sphinx Alcatraz um die Ohren flog.
K APITEL V IERZEHN
D er herrliche, aus Eisenstreben kunstvoll zusammengefügte Eiffelturm ragte mehr als 300 Meter über Joshs Kopf auf. Für ein Schulprojekt hatte er einmal eine Liste der zehn Wunder der modernen Welt zusammengestellt. Der gusseiserne Turm war die Nummer 2 auf seiner Liste gewesen, und er hatte sich vorgenommen, ihn sich eines Tages anzusehen.
Doch jetzt war er endlich in Paris und blickte nicht einmal auf.
Er stand fast direkt unter der Mitte des Turms, reckte sich auf die Zehenspitzen und schaute sich nach allen Seiten um. Er suchte seine Zwillingsschwester. Für die frühe Stunde waren schon erstaunlich viele Touristen unterwegs, doch wo war Sophie?
Josh hatte Angst.
Nein, mehr als das. Er hatte Panik.
Die letzten beiden Tage hatten ihm gezeigt, was echte Angst ist. Vor den Ereignissen am Donnerstag hatte er immer nur Angst gehabt, bei einem Test schlecht abzuschneiden oder sich vor der ganzen Klasse zu blamieren. Er kannte auch andere Ängste, vage Vorstellungen, bei denen ihn fröstelte, wenn er nachts wach lag und sich fragte, was wäre, falls seine Eltern einen Unfall hätten. Sara Newman war Archäologin und ihr Mann Richard Paläontologe. Das sind an sich nun nicht unbedingt die gefährlichsten Jobs, die es gibt, doch ihre Arbeit führte die Eltern manchmal in Länder, in denen religiöse oder politische Unruhen herrschten, oder die Ausgrabungsstätten lagen in der Nähe aktiver Vulkane oder in Gebieten der Erde, in denen öfter Hurrikane wüteten oder es häufiger Erdbeben gab. Die plötzlichen Bewegungen der Erdkruste förderten oft außergewöhnliche archäologische Fundstücke zutage.
Doch Joshs am tiefsten sitzende, dunkelste Angst war die, dass seiner Schwester etwas zustoßen könnte. Obwohl Sophie 28 Sekunden älter war als er, war sie für ihn, da er größer und stärker war, immer seine kleine Schwester gewesen. Es war seine Aufgabe, sie zu beschützen.
Und jetzt war seiner Schwester in gewisser Weise tatsächlich etwas Schreckliches zugestoßen.
Sie hatte sich in einer Art und Weise verändert, die er nicht einmal ansatzweise verstand. Sie war nicht mehr wie er, sondern eher wie Flamel und Scathach und deren Artverwandte. Sie war zu etwas Übermenschlichem geworden.
Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich allein gelassen. Er war dabei, seine Schwester zu verlieren. Allerdings gab es eine Möglichkeit, ihr wieder ebenbürtig zu sein – indem seine eigenen Kräfte geweckt wurden.
Josh drehte sich um – und im selben Moment tauchten Sophie und Scathach auf. Sie liefen über eine breite Brücke, die direkt zum Eiffelturm führte. Kolossale Erleichterung überkam ihn. »Sie sind da«, sagte er zu Flamel, der in die andere Richtung schaute.
»Ich weiß«, erwiderte Flamel und sein französischer Akzent kam stärker durch als sonst. »Und sie sind nicht allein.«
Josh drehte sich zu ihm um. »Was soll das heißen?«
Nicholas neigte leicht den Kopf und Josh folgte seiner Blickrichtung. Auf der Place Joffre waren gerade zwei Busse angekommen und spuckten ihre Passagiere aus. Die Touristen – ihrer Kleidung nach ging Josh davon aus, dass es Amerikaner waren – liefen durcheinander, redeten und lachten. Während die Reiseführer noch versuchten, sie zusammenzuhalten, klickten schon Kameras, und Videorecorder surrten. Ein dritter Bus, knallgelb, fuhr heran und spuckte Dutzende aufgeregter Japaner aufs Pflaster. Verwirrt blickte Josh zurück zu Flamel. Meinte er die Busse?
»In Schwarz«, sagte Nicholas geheimnisvoll
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