Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
nicht«, bemerkte Josh zögernd. »Warum?«
Saint-Germain grinste. »Die Hexe mag niemanden. Mich mag sie erst recht nicht, weil ich aus eigenen Stücken unsterblich geworden bin und, im Gegensatz zu Nicholas und Perenelle, keinen Trank brauche, um es auch zu bleiben.«
Josh runzelte die Stirn. »Heißt das, es gibt verschiedene Arten von Unsterblichkeit?«
»Viele verschiedene Arten, und genauso viele verschiedene Arten von Unsterblichen. Die gefährlichsten sind diejenigen, die ihre Unsterblichkeit einem Wesen des Älteren Geschlechts verdanken. Wenn sie bei dem Älteren in Ungnade fallen, wird ihnen die Gabe natürlich wieder genommen.« Er schnippte mit den Fingern und Josh zuckte zusammen. »Das Ergebnis ist sofortiges Altern. Eine großartige Methode, um sich der Loyalität eines Dieners zu versichern.« Er wandte sich wieder dem Computer zu und ließ einen gespenstischen, rauchigen Ton erklingen. Als Josh neben ihn trat, schaute er auf. »Aber der eigentliche Grund, warum die Hexe von Endor mich nicht leiden kann, ist der, dass ich als gewöhnlicher Sterblicher Meister des Feuers wurde.« Er hob die linke Hand und über jedem Finger tanzten Flämmchen in unterschiedlichen Farben. In dem Studio auf dem Dachboden roch es plötzlich nach verbranntem Laub.
»Und warum stört sie das?«, fragte Josh und schaute fasziniert auf die Flammen. Er wünschte sich so sehr, etwas Ähnliches tun zu können.
»Vielleicht weil ich das Geheimnis des Feuers von ihrem Bruder erfahren habe.« Die Musik veränderte sich, wurde unharmonisch und schrill. »Also gut, statt erfahren sollte ich besser gestohlen sagen.«
»Du hast das Geheimnis des Feuers gestohlen!«, rief Josh.
Saint-Germain nickte vergnügt. »Von Prometheus.«
»Und eines schönen Tages wird mein Onkel es zurückhaben wollen.« Scathachs Stimme ließ beide herumfahren. Sie hatten sie nicht kommen hören. »Nicholas ist da«, sagte sie und ging wieder.
K APITEL Z WEIUNDZWANZIG
N icholas Flamel saß an der Schmalseite des Küchentischs und hatte beide Hände um eine Tasse voll dampfender Suppe gelegt. Vor ihm standen eine halb volle Flasche Perrier, ein großes Glas und ein Teller, auf dem sich knuspriges Brot und Käse türmten. Er blickte auf und nickte Josh und Saint-Germain lächelnd zu, als sie hinter Scathach die Küche betraten.
Sophie saß an der Längsseite, gegenüber von Johanna, und Josh setzte sich rasch neben seine Schwester, während Saint-Germain sich den Stuhl neben seiner Frau zurechtrückte. Nur Scathach blieb stehen. Sie lehnte am Spülbecken hinter dem Alchemysten und blickte hinaus in die Nacht. Josh fiel auf, dass sie immer noch das kleine, im Nacken geknotete Kopftuch trug, das sie aus dem Rücken von Flamels schwarzem T-Shirt geschnitten hatte.
Josh wandte sich Flamel zu. Der Alchemyst wirkte erschöpft und alt und in seinem kurz geschorenen Haar schimmerte es seit Neuestem silbern. Seine Haut war erschreckend bleich, sodass die dunklen Ringe unter den Augen und die tiefen Falten in der Stirn deutlich hervortraten. Seine Kleider waren zerknittert und teilweise nass vom Regen, und auf einem Ärmel seiner Jacke, die er über die Stuhllehne gehängt hatte, war ein langer Schmutzstreifen zu sehen. Auf dem abgewetzten Leder glitzerten Wassertropfen.
Niemand sagte etwas, während Flamel seine Suppentasse leerte und sich dann Stücke von Brot und Käse abbrach. Er kaute langsam und methodisch, goss Wasser aus der grünen Flasche in sein Glas und trank in kleinen Schlucken. Als er fertig war, wischte er sich den Mund an einer Serviette ab und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. »Danke.« Er nickte Johanna zu. »Das war genau das Richtige.«
»Die ganze Speisekammer ist voll, Nicholas«, sagte sie und schaute ihn mit ihren großen grauen Augen besorgt an. »Du solltest mehr essen als nur Suppe, Brot und Käse.«
»Fürs Erste reicht es«, erwiderte er freundlich. »Ich muss mich jetzt ausruhen und wollte den Magen nicht mit zu viel Essen belasten. Morgen früh machen wir ein großes Frühstück. Ich bereite es höchstpersönlich zu.«
»Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst«, bemerkte Saint-Germain.
»Kann er auch nicht«, murmelte Scathach.
»Ich dachte immer, man kriegt Albträume, wenn man spätabends noch Käse isst.« Josh schaute auf seine Uhr. »Es ist fast ein Uhr morgens.«
»Ach, weißt du, ich habe auch ohne Käse Albträume und brauche dazu nicht einmal die Augen zuzumachen.« Flamel lächelte müde. »So schlimm
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