Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Aura, desto stärker das Feuer. Das bedeutet für dich, Sophie, dass du sehr vorsichtig sein musst, weil deine Aura so rein ist. Wenn du Feuermagie entfesselst, hat sie unglaubliche Kräfte. Hat Flamel dich gewarnt, dass du deine Kräfte nicht zu oft gebrauchen darfst, weil du sonst selbst in Flammen aufgehen kannst?«
»Scatty hat mir gesagt, was passieren kann«, antwortete Sophie.
Saint-Germain nickte. »Arbeite nie mit Feuer, wenn du müde oder geschwächt bist. Verlierst du die Kontrolle über dieses Element, dann springt es auf dich zurück, und eh du dichs versiehst, bist du nur noch ein Häufchen Asche.«
Inzwischen brannte ein gleichbleibender Feuerball in Sophies rechter Hand. Sie merkte, dass ihre linke Hand prickelte, und nahm sie rasch von der Bank. Ihr Abdruck war als rauchender schwarzer Fleck im Holz zu erkennen. Mit einem dumpfen Plopp leckten plötzlich blaue Flammen über ihre linke Handfläche und die einzelnen Finger fingen Feuer.
»Warum spüre ich nichts?«, fragte Sophie verwundert.
»Du bist durch deine Aura geschützt«, erklärte Saint-Germain. »Du kannst das Feuer formen, so wie du deine Aura zu silbernen Gegenständen formen kannst – Johanna hat es dir gezeigt. Du kannst Feuerbälle und Feuerblitze machen.« Er schnippte mit den Fingern und etliche dicke Funkenkugeln hüpften übers Dach. Dann streckte er den Zeigefinger aus und eine kleine, gezackte, speerähnliche Flamme schoss auf die nächste Kugel zu und durchbohrte sie. »Wenn du deine Kräfte voll unter Kontrolle hast, kannst du dich der Feuermagie nach Belieben bedienen, doch bis du so weit bist, brauchst du einen Beschleuniger.«
»Einen Beschleuniger?«
»Normalerweise müsstest du stundenlang meditieren, um deine Aura dahin zu bringen, dass sie sich entzündet. Doch vor sehr, sehr langer Zeit hat jemand herausgefunden, wie man sich einen Beschleuniger machen kann. Eine Art Abkürzung. Hast du meine Schmetterlinge gesehen?«
Sophie nickte. Sie erinnerte sich gut an die vielen winzigen Schmetterlingstattoos, die sich um sein Handgelenk wanden und sich seinen Arm hinaufzogen.
»Sie sind meine Beschleuniger.« Saint-Germain hob die Hände des Mädchens. »Und jetzt hast du deinen.«
Sophie schaute auf ihre Hände hinunter. Das Feuer war ausgegangen und hatte schwarze, rußige Streifen auf ihrer Haut hinterlassen. Sie rieb die Hände aneinander, verschmierte den Ruß aber nur.
»Lass mich dir helfen.« Saint-Germain hob eine Gießkanne und schüttelte sie. Wasser schwappte darin hin und her. »Streck die Hände aus.« Er goss von dem Wasser über ihre Hände – es zischte, als es ihre Haut berührte – und wusch die schwarzen Streifen ab. Saint-Germain zog ein frisches weißes Taschentuch aus seiner hinteren Hosentasche, tauchte es in die Gießkanne und wusch die noch verbliebenen schwarzen Partikel sorgfältig ab. Doch an ihrem rechten Handgelenk, wo Saint-Germain sie festgehalten hatte, ließ sich der Ruß nicht abwaschen. Ein breites schwarzes Band umschloss Sophies Handgelenk wie ein Armband.
Saint-Germain schnippte mit den Fingern und sein Zeigefinger und der kleine Finger brannten. Er hielt die Flammen dicht an ihre Hand.
Und plötzlich begriff Sophie, dass sie nun auch ein Tattoo auf ihrer Haut hatte.
Wortlos hob sie den Arm und betrachtete das kunstvolle, plötzlich leuchtende Band, das sich um ihr Handgelenk wand. Zwei Stränge, einer gold, einer silbern, waren so ineinander verflochten, dass ein fast keltisch anmutendes Muster entstanden war. Auf der Unterseite ihres Handgelenks, dort, wo Saint-Germain seinen Daumen gehabt hatte, war ein goldener Kreis mit einem roten Punkt in der Mitte.
»Wenn du dich der Feuermagie bedienen willst, drückst du den Daumen auf den Kreis und konzentrierst deine Aura darauf«, sagte Saint-Germain. »Und schon lodern die Flammen.«
»Und das ist alles?«, fragte Sophie überrascht. »Wirklich alles?«
Saint-Germain nickte. »Ja, das ist alles. Was hast du denn erwartet?«
»Ich weiß auch nicht, aber als die Hexe von Endor mich in die Luftmagie eingewiesen hat, hat sie mich wie eine Mumie ein gewickelt.«
Saint-Germain lächelte verlegen. »Na ja, ich bin natürlich nicht die Hexe von Endor. Johanna hat mir gesagt, ihre Tante hätte dir auch ihr ganzes Wissen und ihre sämtlichen Erinnerungen übertragen. Keine Ahnung, warum sie das gemacht hat; nötig war es bestimmt nicht. Aber sie hatte ihre Gründe, daran zweifle ich nicht. Außerdem weiß ich gar nicht, wie das
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