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Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin

Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin

Titel: Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scott
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verlöschenden Feuer im Wassergraben vermischte sich mit den fettigen schwarzen Dämpfen aus dem Fass.
    »Ich sehe ihre Auren«, murmelte Josh müde. Das unerwartete Aufflammen seiner eigenen Aura hatte ihn erschöpft. Schlimme Kopfschmerzen pochten direkt über seinen Augen, die Muskeln in seinen Armen und Beinen brannten, und er hatte ein so flaues Gefühl im Magen, dass er fürchtete, er müsse sich übergeben. Seine Handflächen waren vom langen Halten des Schwertgriffs taub.
    Sophie drehte sich um und sah aus dem beschlagenen Fenster. Josh hatte recht, die drei Unsterblichen waren von ihren schwach leuchtenden Auren umgeben – Flamels Smaragdgrün und Palamedes’ dunkleres Olivgrün rahmten Shakespeares helles Zitronengelb ein.
    »Was machen sie bloß?«, fragte Josh.
    Sophie drückte auf den Fensterheber, da der Motor aber ausgeschaltet war, funktionierte die Elektrik nicht. Sie rieb mit der Handfläche den Beschlag von der Scheibe – und hielt den Atem an. Die Auren der Unsterblichen wurden heller, und sie sah, wie die geballte Kraft als zähes Rinnsal einer klebrigen Flüssigkeit von ihren Händen in das Fass tropfte. »Wie es aussieht, leihen Nicholas und Palamedes Shakespeare ihre Kräfte. Seine Lippen bewegen sich, er sagt etwas …« Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und blinzelte, als Regen ins Innere des Wagens fiel.
    »… Fantasie ist der Schlüssel, meine unsterblichen Brüder«, sagte Shakespeare gerade. »Ihr müsst euch nur konzentrieren, dann kann ich einen machtvollen Unruhezauber wirken.«
    »Es ist eine Konjugation«, sagte Sophie ehrfürchtig. Dann wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie dieses Wort vor wenigen Tagen noch nicht einmal verstanden hätte.
    Josh rutschte zu seiner Schwester hinüber, damit er auch durch den Türspalt schauen konnte. »Was ist eine Kon… eine Konjung…?«
    »Er ist dabei, etwas aus dem Nichts zu erschaffen. Er formt es und lässt es allein dadurch entstehen, dass er es sich vorstellt.« Sie stieß die Tür ein Stück weiter auf und ignorierte den Regen auf ihrem Gesicht. Sie wusste – weil die Hexe es wusste –, dass dies die anstrengendste aller magischen Praktiken war, eine, die dem Magier außergewöhnliche Fähigkeiten und höchste Konzentration abverlangte.
    »Beeile dich«, drängte Flamel. »Das Feuer ist fast aus, und ich weiß nicht genau, wie viel Kraft ich noch habe.«
    Shakespeare nickte. Er steckte beide Hände tief in das Fass hinein. »Feuer sprühe, Kessel glühe, Feuer sprühe, Kessel glühe«, flüsterte er, wobei sein Akzent immer stärker wurde, bis er schließlich zu dem elisabethanischen Englisch zurückkehrte, das er in seiner Jugend gesprochen haben musste. »Dann lasst uns mit der Nilschlange anfangen …«
    Rauch ringelte sich um das Fass, das plötzlich überquoll mit Hunderten sich windender Schlangen. Sie ringelten sich über den Rand und kullerten auf den Boden.
    »Schlangen! Warum müssen es immer Schlangen sein!«, stöhnte Josh und sah weg.
    »… Bunte Schlangen, zweigezüngt …«, fuhr Shakespeare fort.
    Noch mehr Schlangen fielen aus dem Fass, zuckten und ringelten sich um die Füße des Unsterblichen. Die Gabriel-Hunde wichen lautlos zurück, die roten Augen starr auf die Reptilien gerichtet.
    »Und jetzt ein paar Igel, Molche, blinde Würmer …« Shakespeare war in eine Art Singsang verfallen, seine Stimme hob und senkte sich, als sage er ein Gedicht auf. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. »… dazu Kröten, giftgefüllt und hässlich«, fügte er heiser hinzu.
    Wie ein Wasserfall quollen die Tiere aus dem Fass: Hunderte dicker Igel, grotesker Kröten, schlüpfriger Molche und sich ringelnder Würmer.
    »… und schließlich noch Kreisch-Eulen …«
    Ein Dutzend Eulen schossen in einem Funkenregen aus den Flammen.
    Shakespeare sackte plötzlich in sich zusammen und wäre gestürzt, wenn Palamedes ihn nicht aufgefangen hätte. »Genug«, sagte der Ritter.
    »Genug?« Shakespeare öffnete die Augen und blickte sich um. Sie standen knöcheltief in den Wesen, die aus dem brennenden Fass gequollen waren. Der ganze Boden war bedeckt mit sich windenden Schlangen, hüpfenden Kröten, zappelnden Wassermolchen und zuckenden Würmern. »Ja doch, vollendet ist’s.« Blitze zuckten über den Himmel, als er Flamels Arm drückte und den Ritter kurz umarmte. »Danke, meine Brüder, meine Freunde.« Dann fragte er: »Wann kommen wir drei wieder zusamm’?«
    »Morgen Abend«, antwortete Palamedes.

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