Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
entstehen.
Dee lugte durch die Öffnung und lächelte. »Sieh an, sieh an, wen haben wir denn da? Meister Shakespeare – Lehrling sowohl des Alchemysten als auch des Magiers. Das ist ja praktisch ein Familientreffen. Und Palamedes, der schwarze Ritter, fast vereint mit den Schwertern, die das Leben seines Meisters bestimmt und ruiniert haben. Und natürlich die Zwillinge. Wie nett von dir, sie mir in meine Heimat zu bringen, Nicholas, obwohl es so viel praktischer gewesen wäre, wenn wir die Sache gleich an der Westküste hätten abschließen können. Nun muss ich sie wieder in die Staaten zurückbringen. Aber übergib sie mir jetzt und wir ersparen uns eine Menge unschöner Dinge.« Flamel lachte humorlos. »Vergisst du nicht etwas, John?«
Der Magier neigte den Kopf leicht auf eine Seite. »Du scheinst hinter Flammen in der Falle zu sitzen und bist dazu noch von der Wilden Jagd eingeschlossen.« Er wies mit dem Daumen auf die hünenhafte Gestalt neben sich. »Und Cernunnos ist natürlich auch noch da. Dieses Mal gibt es kein Entkommen. Nicht einmal für dich.«
»Wir drei Unsterblichen sind nicht machtlos«, entgegnete Flamel leise. »Kannst du es mit uns allen aufnehmen?«
»Oh, das muss ich gar nicht. Ich brauche nur das Feuer zu löschen. Selbst du kannst gegen einen Archon und die Wilde Jagd nicht gewinnen.«
Josh trat vor. Clarent war ein schimmernder schwarzer Lichtstrahl in seiner linken Hand und die tanzenden Schatten ließen Josh älter erscheinen als fünfzehn Jahre. »Und was ist mit uns? Es wäre ein Fehler, uns zu vergessen. Du warst dabei in Paris. Du hast gesehen, was wir mit den Wasserspeiern gemacht haben.«
»Und mit Nidhogg«, ergänzte Sophie neben ihm.
Clarent ächzte und dann führte Josh einen Stoß in Richtung Excalibur. Die Schwerter trafen in dem runden Luftloch mitten im Feuer aufeinander, und schwarze und blaue Funken stoben auf, als die Klingen sich kreuzten.
Und Dees Gedanken über Josh hereinbrachen.
Angst. Eine schreckliche, panikartige Angst vor tierähnlichen Wesen und nur schemenhaft erkennbaren Menschen.
Trauer. Zahllose Gesichter, Männer, Frauen und Kinder, Angehörige, Freunde und Nachbarn. Alle tot.
Wut. Das stärkste Gefühl war Wut – eine siedende, alles verzehrende Wut .
Hunger. Ein unstillbarer Hunger nach Wissen, nach Macht.
Cernunnos. Der Gehörnte Gott. Der Archon. Er liegt tot auf der Erde, und Dee steht über ihn gebeugt, Clarent und Excalibur in den Händen. Und von den Schwertern lodern rötlich schwarze und bläulich weiße Flammen auf.
Die Gedanken und Empfindungen trafen Josh wie Schläge. Er spürte, wie sein Kopf bei jedem neuen, verstörenden Bild hin und her ruckte. Aber am schockierendsten war das Bild von Cernunnos, der auf der Erde lag. Dee wollte den Archon umbringen. Doch dazu brauchte er Clarent. Und Josh würde das Feuerschwert nicht hergeben. Er fasste den Schaft fester und drückte mit aller Kraft gegen Excalibur, aber es war, als würde er gegen eine Felswand drücken. Er hielt das Schwert mit beiden Händen und stemmte sich erneut dagegen. Stein rieb auf Stein und Funken sprühten, aber sonst tat sich nichts. Die Flammen ließen Dees Gesicht wie einen grinsenden Totenschädel aussehen.
Josh hatte erlebt, wie Sophie ihre Aura konzentriert und sie als schützende Hülle um ihren Körper gelegt hatte. Er hatte ihre heilende Wirkung an seiner eigenen Haut gespürt, aber er hatte keine Ahnung, wie seine Schwester das alles bewerkstelligte.
Johanna hatte sie ausgebildet. Er hatte noch niemanden gefunden, der ihn ausbilden konnte. »Schwesterherz …?«
»Hier bin ich.« Sophie war sofort an seiner Seite.
»Wie machst du es …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Wie machst du es, dass du deine Aura gezielt einsetzen kannst?«
»Ich weiß es nicht. Ich … Ich glaube, ich konzentriere mich einfach nur ganz stark.«
Josh holte tief Atem, kniff die Augen zusammen, legte die Stirn in Falten und konzentrierte sich mit aller Kraft.
Nichts geschah.
»Mach die Augen richtig zu«, riet Sophie. »Stell dir in allen Einzelheiten vor, was passieren soll. Fang mit etwas Kleinem an, mit etwas Winzigem …«
Josh nickte. Er holte noch einmal tief Luft und schloss die Augen. Sophie konnte ihre Aura in ihrem kleinen Finger sammeln, wieso konnte dann er nicht …
Im nächsten Augenblick spürte er, wie in seinem Magen etwas brodelte. Es stieg auf, floss von seinem Brustkorb über beide Arme in seine Hände, die den Schwertgriff
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