Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
vergaß, wie unvorstellbar sein Wissen war. »Hast du schon einen Plan?«
»Als ich in Paris war, habe ich unsere alte Karte von den Kraftlinien der Erde geholt«, erzählte er rasch, und seine Augen blitzten vor Übermut. »Irgendwo in der Ebene von Salisbury gibt es eine Linie, die uns direkt auf den Mount Tamalpais bringt. Die nehmen wir, sobald …« Er hielt inne.
Perenelle fiel das Zögern auf und sie bekam Angst. » Sobald was? Was hast du vor, Nicholas?«
»Ich muss in London noch etwas erledigen. Die Kinder sollen jemanden kennenlernen.«
Ihr fielen sofort ein Dutzend Namen ein und bei keinem hatte sie ein gutes Gefühl. »Wen?«
»Gilgamesch.«
Perenelle öffnete den Mund, um zu protestieren, doch die steinerne Miene ihres Mannes ließ sie innehalten.
Flamel wies mit dem Kopf fast unmerklich auf Josh. »Ich möchte ihn bitten, dass er die Kinder in der Wassermagie unterweist.«
»Gilgamesch«, wiederholte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Der König. Bestelle ihm schöne Grüße von mir.«
»Werde ich machen. Ich bin sicher, er erinnert sich an dich.
Und ich hoffe, dass er uns den Weg zu der Kraftlinie zeigt, die uns nach Hause bringt.«
»Sag mir rasch, Nicholas: Ist alles in Ordnung? Sind die Kinder in Sicherheit?«
»Ja. Die Zwillinge sind hier bei mir«, antwortete Flamel. »Beide wurden erweckt und Sophie wurde in der Luft- und Feuermagie unterwiesen. Josh hat leider noch keine Ausbildung erfahren.«
Während Nicholas redete, beobachtete Perenelle Josh. Sie spürte seine Enttäuschung darüber mehr, als sie ihm anzusehen war, auch wenn das Bild nicht so geflackert hätte.
»Es gibt noch so viel zu berichten«, fuhr Flamel fort.
»Ganz ohne Zweifel. Aber Nicholas, du vergisst deine gute Erziehung«, schalt sie ihn. »Du hast mich noch nicht vorgestellt. Wer ist …?« Noch bevor sie die Frage ausgesprochen hatte, dämmerte es ihr. »Ist das Master Shakespeare?«
Der Mann neben Nicholas verbeugte sich so tief, wie das im Sitzen möglich war. »Ergebenster Diener, Madam.«
Perenelle schwieg. Sie spürte ein Zwicken in ihrer Schulter, wo sie bei dem Angriff als Folge von Shakespeares Verrat von einer Kugel getroffen worden war. Im Gegensatz zu Nicholas hatte sie nie einen Groll auf den Jungen gehabt. Sie wusste um Dees gefährliche Überredungskünste. Schließlich neigte sie den Kopf. »Master Will. Du siehst gut aus.«
»Danke, Madam. Vor fast vierhundert Jahren habe ich Euch zu Ehren eine Zeile geschrieben - ›Nicht kann sie Alter hinwelken, täglich Sehn an ihr nicht stumpfen‹ – und wie mir scheint, trifft sie immer noch zu. Ihr seid so schön wie eh und je.« Er holte tief und zittrig Luft. »Ich muss mich bei Euch entschuldigen, Madam. Wegen etwas, das ich getan habe, hat man Euch fast umgebracht. Ich habe einen Fehler gemacht.«
»Du hast die falsche Seite gewählt, Will.«
»Ich weiß, Madam.« Das Bedauern, das aus der Stimme des Unsterblichen sprach, war fast greifbar.
»Aber einen Fehler hast du nicht gemacht. Ein Fehler wäre es gewesen, auf dieser Seite zu bleiben, nicht wahr?«, erwiderte sie freundlich.
Der Dichter neigte lächelnd den Kopf, ein wortloser Dank.
»Perry, ich habe Mr Shakespeare Unrecht getan. Er ist kein Freund des Magiers.« Nicholas wedelte mit der Hand. »Und er hat unser Gespräch hier ermöglicht.«
Perenelle verneigte sich. »Danke, Will. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, Nicholas heil und gesund zu sehen.«
Röte stieg in Shakespeares Wangen und bis hinauf in seine Glatze. »Es war mir ein Vergnügen, Madam.«
»Und wie geht es dir, Josh?«
»Danke, gut. Wirklich gut.«
»Und Sophie?«
»Sehr gut. Sie ist schon in Feuer- und Luftmagie ausgebildet. Du hättest sehen sollen, was wir mit den Wasserspeiern von Notre Dame gemacht haben.«
Perenelle blickte ihren Mann an und hob die Augenbrauen in einer stummen Frage.
»Wie gesagt, es gibt viel zu erzählen.« Flamel beugte sich vor. Er begann in Englisch, verfiel dann aber in das Französisch seiner Jugendzeit. »Wir saßen in der Falle, waren umgeben von den Wächtern der Stadt. Der Junge hat die Aura des Mädchens mit seiner eigenen verstärkt – Silber und Gold vereint. Ihre Kraft war unbeschreiblich – stärker als die Magie von Dee und Machiavelli zusammen. Perenelle, wir haben sie! Endlich haben wir die legendären Zwillinge gefunden!«
Das Spinnennetz zitterte und ein fauliger Wind wehte durch den Korridor. Nicholas’ Bild löste sich in eine Million
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