Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
treibt uns alle an«, murmelte Virginia. »Aber mir ist immer noch nicht klar, wie …«
Das Lächeln des Doktors war grausam. »Ich weiß, wo hier in der Menschenwelt der Eingang zum Schattenreich von Xibalba liegt. Wenn sie mir dient, bekommt sie das dafür.«
»Und sobald sie in Xibalba ist …?«, begann Virginia.
Dee nickte. »Dann hat sie Zutritt zu sämtlichen anderen Schattenreichen. Sie kann sich von einem zum anderen durchrächen und sich an allem, was sie findet, gütlich tun.«
Virginia lachte zittrig. »Ich habe deine Skrupellosigkeit immer bewundert, John, aber jetzt bleibt mir die Luft weg. Selbst dir wird es trotz all deiner Macht nicht gelingen, einen Archon zu wecken. Am allerwenigsten die Mutter aller Götter. Sobald sie einen Fuß in diese Welt setzt, wird sie erst einmal alles verschlingen, was sie sieht.«
Dee zuckte mit den Schultern. »Ja, du hast recht, ich brauche etwas ganz Besonderes, etwas ungeheuer Mächtiges, um sie anzulocken und dann abzulenken, damit ich sie mit diversen Zaubern fesseln kann.« Er berührte die Schwerter unter seinem Mantel. Die Antwort strömte durch seine Finger und in der Luft hing plötzlich deutlicher Orangenduft. Sein Lächeln wurde noch grausamer. »Ich werde ihr eine rein goldene Aura anbieten.«
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
S ophie und Josh gingen nebeneinander über die Mole von Sausalito, vorbei an den sacht schaukelnden Hausbooten. Keines war wie das andere: Es gab kleine, gedrungene und große, lange Boote. An den meisten waren Dinghis festgemacht und an einem sogar ein Wasserflugzeug.
Nicholas und Perenelle Flamel diskutierten immer noch mit Aoife auf Nitens Hausboot. Der Schwertkämpfer mischte sich nicht ein; nur manchmal, wenn die Debatte allzu hitzig wurde, legte er der Vampirin die Hand auf die Schulter.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Josh.
Sophie sah ihn an. »Machen? Was sollen wir denn machen? «
»Ich meine: Gehen wir nach Hause?«
»Und dann? Was machen wir zu Hause?«
Josh vergrub die Hände in den hinteren Taschen seiner Jeans und ging weiter. Darauf hatte er keine Antwort. »Mir ist eigentlich erst vorhin, als ich mich auf die Suche nach den Flamels gemacht habe, klar geworden, wie viel wir verloren haben«, sagte er.
»Was meinst du mit verloren ?« Sophie war irritiert.
»Diese letzten Tage, die wir mit den Flamels verbracht haben, haben uns alles genommen. Unser normales Leben, unsere Träume, Vorstellungen … Alles, was wir zu wissen glaubten – über Geschichte, über Mythologie, selbst Archäologie. Plötzlich stellt sich alles als Lüge heraus. Sogar unsere Zukunft gibt es nicht mehr.«
Sophie nickte. Alle diese Gedanken hatte sie sich auch schon gemacht, und sie war nicht überrascht, dass es bei ihrem Bruder etwas länger gedauert hatte, bis er daraufgekommen war.
»Also – wohin gehen wir jetzt?« Josh blieb stehen und sah zu Nitens Hausboot zurück. Obwohl sie etwa 300 Meter entfernt waren, senkte er die Stimme. »Was tun wir? Ich traue Flamel nicht.«
»Ich auch nicht«, gab seine Schwester zu.
»Aber irgendwie kommen wir nicht von ihm los.«
Sophie nickte. »Und ich fürchte, wir müssen das jetzt bis zum Ende durchziehen.«
»Und was heißt das?« Josh klang verzweifelt. »Du hast sie doch gehört – sie reden von einem Angriff auf Alcatraz. Das ist doch Wahnsinn!«
»Aber wenn sie es nicht tun, greifen die Kreaturen von der Insel San Francisco an.« Sophie streckte die Hand nach ihrem Bruder aus und sofort war die Luft von süßem Vanilleduft erfüllt. Ihre blauen Augen glänzten silbrig. »Ist dir je der Gedanke gekommen, dass dies unser Platz ist? Dass wir dazu bestimmt sind, das zu tun?«
Josh wich einen Schritt zurück. Der drängende Ton seiner Schwester machte ihm Angst. »Wovon redest du?«
»Josh, vor zehntausend Jahren hat Abraham über uns geschrieben …«
»Nein!« Josh wehrte rasch ab. »Er hat über Zwillinge geschrieben. Und es hat schon jede Menge Zwillinge gegeben.«
»Aber keine wie wir.«
»Jede Menge wie wir«, beharrte er. »Du weißt doch, dass die Flamels über Generationen hinweg Zwillinge mit goldener und silberner Aura gesammelt haben. Und keiner hat seine Erweckung überlebt.«
»Wir haben sie überlebt.«
»Gerade eben.«
»Josh, ich bin in Luft-, Feuer- und Wassermagie ausgebildet und du bist erweckt und ebenfalls in Wassermagie ausgebildet worden. Wir können diese Fähigkeiten nicht einfach ignorieren. Jetzt haben wir die Gelegenheit, sie einzusetzen und die Stadt
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