Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
seltenen goldenen Auren besessen hatte.
»Was mache ich nur mit dir, Italiener?«, fragte Kukulkan unvermittelt.
»Mit mir machen?«
»Beantwortest du Fragen immer mit einer Gegenfrage?«
»Tue ich das?«
Kukulkans gefiederter Schwanz zuckte und schlug ungeduldig auf den Boden.
»Mac«, flüsterte Billy erschrocken.
»Nenne mich nicht Mac. Ich hasse das.«
»Dann verärgere den allmächtigen Älteren nicht«, murmelte Billy.
Kukulkans Gesicht und die kohlschwarzen Augen verrieten keinerlei innere Regung, und auch aus seiner Stimme war nichts herauszuhören, als er sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob du hochmütig, dumm oder ausgesprochen clever bist.«
»Ich bin hochmütig«, erwiderte Machiavelli lächelnd. »Das weiß ich schon lange. Aber ich bin auch ausgesprochen clever. Und ich bin wertvoll.« Seine Handbewegung schloss all die seltenen Kunstgegenstände in dem Raum ein. »Und wie ich sehe, weißt du wertvolle Dinge zu schätzen.«
Kukulkan nickte bestätigend. »So ist es. Und ein wertvolles Werkzeug sollte nicht vorschnell beiseite gelegt werden.«
»Ich wurde schon einmal ein wertvolles Werkzeug genannt«, erinnerte sich Machiavelli.
»Von deinem Gebieter?«
»Ja, Aten hat mich bei verschiedenen Gelegenheiten so genannt«, bestätigte Machiavelli.
Wieder nickte der Ältere. »Aten gab mir viele Werkzeuge und Gaben mit auf den Weg. Er lehrte mich zu leben, andere zu respektieren und zu lieben. Ich verdanke meinem Bruder viel. Ich stand immer in seiner Schuld. Und obwohl er mich nicht darum gebeten hat, dass ich dich verschone, werde ich es wahrscheinlich tun, als Geschenk an ihn. Eine Schuld muss immer zurückgezahlt werden.«
Machiavelli verneigte sich leicht. Er schluckte einen Anflug von Ärger hinunter. Er wusste, dass er dankbar sein sollte, weil er noch am Leben war, aber etwas an der Argumentation des Wesens irritierte ihn. Doch für den Augenblick wollte er es erst einmal gut sein lassen und später darüber nachdenken. Er hatte es sich zur Regel gemacht, nicht zuzulassen, dass Zorn seine Urteile beeinflusste. »Ich bin dankbar«, sagte er nur.
»Ich auch«, meldete sich Billy.
»Wer hat etwas davon gesagt, dass du auch verschont wirst?«, blaffte Kukulkan.
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
B ist du sicher«, fragte Palamedes vorsichtig, »dass du das wirklich tun willst, mein Freund?«
Saint-Germain nickte. Sein Gesicht war das einzig Helle in dem dunklen Taxi. »Unbedingt.« Sie fuhren bereits seit über zwei Stunden Richtung Norden. Die M1 und die M25 hatten sie schon seit Langem hinter sich gelassen und folgten jetzt einer Reihe kurvenreicher Landstraßen.
Der sarazenische Ritter rutschte nervös auf dem Fahrersitz herum. Ab und zu streifte das Licht einer Straßenlaterne sein Gesicht. Dann nahmen seine Augen einen glänzenden Orangeton an. »Mein Gebieter ist unberechenbar«, sagte er schließlich. »Und zwar auf eine ganz gefährliche Art und Weise. Seine Verachtung für die Humani kennt keine Grenzen. Er verachtet sie für das, was sie der Welt, die er mit erschaffen hat, angetan haben.«
»Dich hat er immerhin so sehr gemocht, dass er dich unsterblich gemacht hat«, entgegnete Saint-Germain.
Palamedes lachte bitter. »Mein Gebieter mag mich nicht. Er hat mich unsterblich gemacht und dazu verdammt, durch die Schattenreiche zu ziehen, als Strafe für ein vor Urzeiten begangenes Verbrechen.« Er wedelte mit der Hand in der Luft herum. »Irgendwann werden wir darüber sprechen, aber nicht heute.«
Palamedes bog von der Straße in einen schmalen Pfad ab. Es gab keine Straßenlaternen hier, aber die Scheinwerfer erfassten die Stämme der knorrigen alten Bäume, die den Weg säumten.
Ein schwacher Geruch nach verbranntem Laub hing in der Luft und Saint-Germains strahlende blaue Augen färbten sich für kurze Zeit rot. »Du weißt, dass wir uns schon einmal begegnet sind, dein Gebieter und ich?«
»Ich weiß es«, antwortete Palamedes kläglich. »Er erinnert sich auch noch daran. Er ist schon alt – sehr, sehr alt –, aber gewisse Dinge vergisst er nie. Und du gehörst leider dazu.«
»Was glaubst du – kann ich mit ihm verhandeln?«
»Du kannst es versuchen. Will Shakespeare und ich sind ja dabei.«
»Das muss nicht sein!« Saint-Germain wehrte rasch ab. »Es könnte gefährlich werden. Vielleicht sogar lebensgefährlich«, fügte er düster hinzu.
»Wir sind an deiner Seite«, bekräftigte der Ritter. »Du hast oft genug an Wills und meiner Seite gestanden und uns mehr als
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