Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
Erliegen gekommen. Autofahrer sprangen aus ihren Wagen, um dem Motorradfahrer beizustehen. Als die Straße zu der Insel hin abfiel, fuhr Josh langsamer. Rechts lag ein kleiner Jachthafen. Beim Abzweig Macalla Road sah Josh aus dem Augenwinkel eine Bewegung und drückte ohne nachzudenken das Gaspedal voll durch. Der Wagen schoss nach vorn und presste Virginia und Dee in die Rückenlehnen ihrer Sitze.
»Die Radfahrer sind wieder da«, meldete Josh. Obwohl sein Herz hämmerte, hatte er keine Angst. Automatisch überlegte er sich Strategien und Fluchtwege. Rasch zählte er die Verfolger durch. »Acht Mann.«
Sie waren aus der Seitenstraße gekommen und rasten wie wild hinter dem Wagen her. Alle acht trugen verspiegelte Schutzbrillen und aerodynamische Helme, mit denen sie vage an Insekten erinnerten.
»Das wird langsam lästig«, murmelte Dee. »Fahr weiter. Dann biegst du nach rechts zum Jachtclub ab. Ich habe eine Idee.« Er blickte Virginia an und wies mit dem Daumen auf die Radfahrer. »Kannst du sie stoppen?«
Virginia warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich habe Armeen aufgehalten. Hast du das vergessen?«
»Das würdest du nie zulassen.« Seufzend steckte er sich die Finger in die Ohren.
Virginia ließ ihr Fenster halb herunter, legte die Flöte auf den Rand, holte tief Luft, schloss die Augen und blies sacht in das Instrument.
Ein grässlicher Ton kam heraus.
Josh spürte ihn bis in die Knochen. Es klang wie der Bohrer beim Zahnarzt … nur schlimmer, viel schlimmer. Seine Zähne und die Wangenknochen schmerzten und er spürte den Ton deutlich hinter seinem rechten Ohr. Seine goldene Aura loderte schützend um seinen Kopf herum auf, und einen Augenblick lang sah es aus, als trüge er den Helm eines Kriegers aus längst vergangener Zeit. Sofort war der Ton nicht mehr zu hören. Josh klappte den Mund auf und zu, um seine verspannten Kiefermuskeln zu lockern. In großer Geschwindigkeit legte sich eine komplette Rüstung um seinen Körper, aber er konnte sich nicht erinnern, dass er den Befehl dazu gegeben hatte. Er spreizte die Finger in den Handschuhen. Bedeutete das, dass es immer einfacher wurde, seine Aura zu formen und zu beeinflussen?
Eine Möwe kam von der Bucht herübergeflogen, direkt auf die Windschutzscheibe zu, und eine Sekunde lang fürchtete Josh, sie würde in das Glas krachen. Im letzten Moment stieg sie auf, flog über den Wagen hinweg … und landete auf dem Kopf des vordersten Radfahrers. Sein Rad wackelte bedenklich, als er den Vogel zu verscheuchen versuchte.
Eine zweite und dritte Möwe kamen im Sturzflug vom Himmel herunter und plötzlich waren die großen weißen Vögel überall. Sie stürzten sich auf die Radfahrer, flatterten und krächzten, besudelten sie mit ihrem weißen Kot und pickten nach ihnen. Der vorderste Radler stürzte und der nachfolgende fuhr in ihn hinein. Ein dritter und ein vierter folgten. Die übrigen Fahrer hielten abrupt an, ließen ihre Räder fallen und stolperten rückwärts davon, wobei sie die kreischenden, herumflatternden Vögel vergeblich mit den Händen abzuwehren versuchten.
Virginia lehnte sich zurück, legte die Flöte in den Schoß und fuhr das Fenster wieder hoch. »Zufrieden?«, fragte sie Dee.
Dee nahm die Finger aus den Ohren. »Einfach und effektiv, mit einem Hang zur Dramatik, wie immer.«
Im Rückspiegel beobachtete Josh, wie der riesige Möwenschwarm über das Durcheinander aus Körpern und Rädern auf der Straße herfiel. Die Vögel pickten auf die gestürzten Fahrer ein. Eine Möwe packte einen Helm und flog damit davon, eine andere riss den Sattel von einem Rad. Und sämtliche Radfahrer waren von Kopf bis Fuß mit weißem Vogeldreck besprenkelt. Auf der Treasure Island Road war der gesamte Verkehr zum Erliegen gekommen. Die meisten Autofahrer hatten Handys oder Digitalkameras gezückt und hielten die ungewöhnliche Szene fest.
»Jede Wette, dass das sofort zu YouTube hochgeladen wird«, sagte Josh. »Was ist in diesen Rucksäcken?«, fragte er noch einmal.
»Ich hab’s dir doch schon gesagt«, antwortete Virginia lächelnd. »Du willst das gar nicht wissen.«
»Oh doch«, protestierte Josh. »Ich will.«
»Bieg hier ab«, sagte Dee und zeigte nach rechts. »Und dann suchst du einen Parkplatz.«
Josh bog in den Clipper Cove Way ein und parkte seinen Jeep zwischen zwei teuren Sportwagen ein. Nachdem er den Schalthebel in die Parkposition geschoben hatte, drehte er sich um und schaute die beiden Unsterblichen an. »Und
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