Nicholas' Geheimnis (German Edition)
überzeugt, eine Affäre würde alles verderben, und dachte, wir könnten vielleicht heiraten, aber damals wusste ich noch nicht, wie du zu Nick stehst. Das wurde mir erst heute klar.«
»Andrew«, begann Melanie, die nicht recht wusste, wie sie reagieren sollte. »Ist das eine Frage oder ein Heiratsantrag?«
»Fangen wir mit der Frage an, okay?«
Melanie holte tief Luft. »Ein Heiratsantrag schmeichelt dem Ego einer Frau, besonders wenn er von jemandem kommt, den man sehr mag. Aber das ist nicht der Sinn einer Freundschaft, stimmt’s?« Melanie beugte sich zu Andrew hinüber und berührte seinen Mund mit den Lippen. »Ich bin sehr glücklich darüber, dich zum Freund zu haben, Andrew.«
»So ungefähr habe ich mir deine Antwort vorgestellt. Ich bin ein romantischer Träumer, fürchte ich.« Andrew lächelte abbittend. »Eine Insel, eine schöne Frau mit einem Lachen, leicht und frei wie der Wind … Ich sah uns schon, wie wir uns in dem Cottage einrichten. Ein Kaminfeuer im Winter, Blumen im Frühling.«
»Du liebst mich nicht, Andrew.«
»Das könnte aber noch kommen.« Er nahm Melanies Hand und betrachtete die Innenfläche. »Nein, es ist dir nicht bestimmt, dich in einen aufstrebenden Schriftsteller zu verlieben.«
»Andrew …«
»Und mir ist es nicht bestimmt, dich zu gewinnen.« Er küsste Melanies Hand. »Aber ein schöner Gedanke ist es trotzdem.«
»Ein sehr schöner sogar. Ich danke dir, Andrew.«
Andrew nickte und stand auf. »Vielleicht komme ich auf die Idee, Venedig könnte mich inspirieren.« Er schaute zu dem Haus auf dem Kliff hinauf. »Vielleicht treffen wir uns dann dort, wer weiß?« Er lächelte schief, verlegen wie ein Junge. »Mach’s gut, Melanie.«
Melanie fühlte einen Stich im Herzen. Sie blickte ihm nach, bis er auf dem Steilpfad des Kliffs verschwand, bevor sie sich wieder dem Meer zuwandte.
10. K APITEL
Entgegen ihrer eigenen Überzeugung von heute Morgen kam Melanie nicht zur Ruhe. Sie dämmerte vor sich hin, aber sie wagte nicht, einzuschlafen – aus Angst vor den Träumen, die sie verfolgten.
Während des Tages war es Melanie unter Einsatz ihrer Willenskraft gelungen, Nick aus ihren Gedanken zu verdrängen. Sie wollte sich ihm auch in ihren Träumen nicht ergeben.
Aber jetzt musste sie immerzu an die Höhle denken, an das starre Gesicht im Wasser, an die schlanke schwarze Zigarette im Sand, an Iona, an Dorians versteinertes Gesicht …
Wieso wurde Melanie den Gedanken nicht los, das eine habe etwas mit dem anderen zu tun?
Die Villa war zu groß und zu still, als dass man sich darin allein wohl fühlen konnte. Sogar die Luft schien drückend zu werden. Müdigkeit überwältigte Melanie, aber an der Grenze zwischen Wachen und Schlafen hatten es Träume und Trugbilder besonders leicht, durch ihr wehrloses Bewusstsein zu geistern.
Melanie konnte Alex’ Stimme hören, die hart und kalt sagte, Ionas Tod wäre für alle ein Segen. Sie sah Dorians kühlen, ruhigen Blick, seine schmale Hand, in der er eine schwarze Zigarette hielt. Andrew lächelte wehmütig, den Blick auf das Meer hinaus gerichtet. Liz schwor, ihren Mann vor allem und jedem zu schützen. Und Melanie sah eine Messerklinge, scharf und tödlich. Sie wusste, dass es Nicks Hand war, die das Heft gepackt hielt.
Mit einem Aufschrei fuhr Melanie hoch. Nein, sie wollte nicht schlafen, jedenfalls nicht allein. Das wagte sie nicht.
Ohne nachzudenken schlüpfte sie in Jeans und eine Bluse. Heute Nachmittag hatte sie am Strand Frieden gefunden. Vielleicht würde es ihr auch in der Nacht gelingen.
Als sie vor die Villa trat, atmete sie auf. Hier in der freien Natur gab es keine Wände, keine leeren, einsamen Zimmer. Hier funkelten die Sterne und dufteten die Blumen. Ein leiser Wind flüsterte in den Zypressen. Das bedrückende Gefühl fiel langsam von Melanie ab. Sie ging zum Strand hinunter.
Melanie krempelte die Jeans hoch und ließ das Wasser über ihre Fußgelenke schwappen. Tief atmete sie die kühle Seeluft ein. Sie streckte die Arme den Sternen entgegen.
»Wann gewöhnst du dir endlich an, nachts im Bett zu bleiben?«
Melanie wirbelte herum und sah sich Nick gegenüber. War er schon die ganze Zeit hier? Sie hatte ihn nicht herankommen hören. Sie richtete sich gerade auf und blickte ihm kühl ins Gesicht. Genau wie sie trug er Jeans und war barfuß. Sein Hemd war nicht zugeknöpft, es hing locker herab. Am liebsten wäre Melanie jetzt nahe an ihn herangetreten. Aber was für ein irrer Gedanke! Rasch
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